Die Frage ist in grossen Buchstaben auf Werbeplakaten in Bussen und Trams zu lesen: «Sind Sie von Long Covid betroffen?» So sucht die Uni Zürich Teilnehmer für eine Studie mit dem Naturheilmittel Pycnogenol. Es enthält ein Extrakt aus der Rinde der Meerkiefer. Apotheken verkaufen es auch als Pinienrindenextrakt. Es helfe gegen Entzündungen und Gefässprobleme, die auch bei Long Covid eine Rolle spielen könnten.

Laut dem Hersteller Horphag Research ist Pycnogenol ein wahres Wundermittel: Es wirke bei Asthma, Arthrose, Krampfadern, Tinnitus, Diabetes, Heuschnupfen und weiteren Krankheiten. Diese Behauptungen untermauert die Firma mit über 450 wissenschaftlichen Artikeln.

Fachleute sehen dies kritisch. Heilpflanzenexperte Martin Koradi aus Winterthur ZH sagt: «Die Studien sind überwiegend mangelhaft gemacht und haben wenig Aussagekraft.» Zu diesem Schluss kam 2020 auch das Forschernetzwerk Coch­rane Collaboration. Es untersuchte die Wirkung des Rindenextraktes bei chronischen Krankheiten wie Asthma, Diabetes und Arthrose. Fazit der Forscher: In keinem Fall sei belegt, dass das Extrakt nütze. Koradi sagt: «Preist ein Hersteller ein Mittel gegen fast alle Krankheiten an, ist Skepsis angebracht.»

Ob Pycnogenol gegen Long Covid nützt, soll nun die erwähnte Studie der Uni Zürich zeigen. Der Basler Arzt Urspeter Masche ist skeptisch: «Man weiss noch sehr wenig über die Ursachen und Mechanismen dieser Krankheit.» Auch die Wirkungsweise des Extrakts liege «noch ziemlich im Dunkeln».

Laut Horphag Research ist der Zusammenhang zwischen Long Covid und einer Fehlfunktion der Gefässzellen in der Wissenschaft «gut beschrieben». Pycnogenol könne diese Funktion verbessern. Die Cochrane Collaboration habe unterschiedliche Pinienrindenextrakte untersucht, deshalb sei die Schlussfolgerung der Forscher zu Pycnogenol nicht aussagekräftig.