Keine Elektroschocks ohne Gerichtsurteil
Strafvollzugsbehörden dürfen gegen den Willen von Gefangenen keine Elektrokrampftherapie anordnen. Das entschied das Bundesgericht.
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Gesundheitstipp 04/2023
19.04.2023
Letzte Aktualisierung:
20.04.2023
Katharina Baumann
Der Fall sorgte für Aufsehen: Ein Mann, der an Schizophrenie erkrankt ist, soll in der Psychiatrischen Universitätsklinik Rheinau mit einer Elektrokrampftherapie behandelt werden. Dabei reizen Ärzte das Gehirn mit elektrischen Stössen und lösen so epileptische Anfälle aus. Der Mann wollte das nicht über sich ergehen lassen und reichte Beschwerde ein (
Der Fall sorgte für Aufsehen: Ein Mann, der an Schizophrenie erkrankt ist, soll in der Psychiatrischen Universitätsklinik Rheinau mit einer Elektrokrampftherapie behandelt werden. Dabei reizen Ärzte das Gehirn mit elektrischen Stössen und lösen so epileptische Anfälle aus. Der Mann wollte das nicht über sich ergehen lassen und reichte Beschwerde ein (Gesundheitstipp 2/2023). Das Bundesgericht befasste sich mit dem Fall – und entschied im Sinn des Patienten: Die Ärzte dürfen ihn nicht zwangsweise behandeln.
Der Mann war 2019 mit kleineren Delikten auffällig geworden. Das Bezirksgericht Zürich ordnete eine stationäre Therapie an gegen seine Störungen. Der Mann verbrachte die meiste Zeit in Isolation und wurde dabei noch zusätzlich fixiert. Dann wollten die Ärzte die Elektrokrampftherapie anordnen. Weil sich der Patient wehrte, riefen die Ärzte das Amt für Strafvollzug an, welches die Therapie anordnete.
«Schwerer Eingriff in körperliche Integrität»
Laut dem Bundesgericht dürfen Strafvollzugsbehörden gegen den Willen eines Betroffenen keine Elektroschocks anordnen, wenn dies im Gerichtsurteil nicht vorgesehen ist. Es handle sich bei einer zwangsweise durchgeführten Elektrokrampftherapie um einen «schweren Eingriff in die körperliche und geistige Integrität». Eine zwangsweise Durchführung sei in der Wissenschaft umstritten.
Das Gericht zitiert in diesem Zusammenhang einen Artikel des deutschen Psychiaters Here Folkerts, der sich dagegen ausspricht. Im Fachmagazin «Psychiatrische Praxis» schreibt er: Die Vorstellung, dass ein Patient fixiert und schreiend über den Flur zum Behandlungsraum gebracht wird, sei schrecklich.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, die Therapie nur anzuwenden, wenn Patienten ihre Einwilligung dazu geben.