Wenn Eveline Galati unterwegs oder auf Reisen war, stand immer eines im Vordergrund: «Wo liegt die nächste Toilette?» Auswärts essen war ihr ein Graus. Denn was immer sie ass – wenig später litt sie an starken Bauchkrämpfen und Durchfall. «Mit der Zeit bekam ich richtig Panik und hatte schon Krämpfe, wenn ich das Essen nur sah», erinnert sich die 36-Jährige aus Schinznach AG. Untersuchungen von Magen und Darm sowie zahlreiche Tests bei Ärzten zeigten, dass mit Galatis Körper alles in Ordnung war. Sie habe einen Reizdarm, sagte ein Arzt.
Das Problem: Reizdarm ist keine einzelne, klar definierte Krankheit, sondern ein Sammelbegriff für eine Reihe von Beschwerden. Einige Patienten haben Bauchkrämpfe und Durchfall, andere plagen Blähungen, Völlegefühl oder Verstopfung. Solche Verdauungsprobleme halten über längere Zeit an und es gibt dafür keine körperliche Ursache. Die Beschwerden sind zwar unangenehm, aber harmlos.
Trotzdem versuchen Pharmafirmen immer wieder, daraus Profit zu schlagen – bisher allerdings ohne grossen Erfolg. Novartis musste sein Reizdarm-Medikament Zelmac im Jahr 2007 vom Markt nehmen: zu wenig Nutzen, aber starke Nebenwirkungen für Herz und Kreislauf. Vor vier Jahren versuchte es der spanische Hersteller Almirall mit Constella. Doch auch dieses Mittel hilft nicht vielen: Laut Fachleuten der unabhängigen Zeitschrift «Pharma-Kritik» profitiert «bestenfalls eine von sieben Personen». Rund jeder Fünfte bekommt von Constella Durchfall.
Das Fazit von Arzt und «Pharma-Kritik»-Herausgeber Etzel Gysling: «Es gibt kein Medikament, das gegen alle Reizdarm-Beschwerden zuverlässig wirkt.» Das gilt sowohl für natürliche Mittel wie Pfefferminzöl oder Iberogast als auch für chemische Mittel wie Buscopan (siehe Tabelle im PDF). Einige davon lindern zwar einzelne Beschwerden wie Durchfall oder Verstopfung. Es gibt aber kein Medikament, das den Reizdarm heilt. Zudem haben die Mittel oft Nebenwirkungen – gerade auch in Magen und Darm.
Wenn Patienten vor allem an Bauchkrämpfen leiden, können Medikamente wie Buscopan oder Librax helfen. Allerdings können sie ebenfalls unangenehme Nebenwirkungen haben, zum Beispiel verschwommenes Sehen oder Herzklopfen. Eine natürliche Alternative sind Kapseln mit Pfefferminzöl. Dass sie bei Bauchweh und Krämpfe wirken, ist allerdings nur in ein paar kleineren Studien belegt.
Gegen Verstopfung helfen Präparate mit Flohsamen wie Agiolax und Metamucil. Die pflanzlichen Ballaststoffe regen den Darm an. Auch Abführmittel mit dem Wirkstoff Macrogol nützen. Doch laut «Pharma-Kritik» wirken sie wenig gegen andere Beschwerden.
Das pflanzliche Mittel Iberogast soll laut Hersteller Bayer die Beschwerden von Reizdarm «umfassend lindern». Die Tropfen enthalten Heilpflanzen wie Kamille, Kümmel, Melisse und Schöllkraut. Doch Iberogast kann die Leber schädigen. Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber der deutschen Zeitschrift «Arznei-Telegramm», rät deshalb vom Mittel ab.
Darmflora verbessern hilft bei Reizdarm
Auch die Darmflora beeinflusst den Reizdarm. Präparate mit guten Bakterien wie Bioflorin oder Lactoferment können die Darmflora verbessern und Beschwerden lindern. Etzel Gysling: «Es ist aber noch unklar, welche Bakterienstämme in welcher Dosis am besten wirken.»
Patientinnen und Patienten müssen selber herausfinden, welche Mittel oder Therapien ihnen gut tun. Eveline Galati hat vieles ausprobiert: «Weder Flohsamen, Pfefferminzöl noch Bioflorin haben mir geholfen.» Einzig das Präparat Symbiolact mit probiotischen Bakterien habe die Beschwerden ein wenig gelindert. Deutlich besser ging es ihr nach einer Bioresonanz-Therapie.
Vielen Patienten helfen zudem kleine Veränderungen im Lebensstil. Zum Beispiel, wenn sie kleine und leichte Mahlzeiten über den Tag verteilt essen. Auch Entspannungstechniken, Psychotherapie oder Hypnose können helfen.
Das Wichtigste für Eveline Galati: «Ich habe gelernt, mit der Krankheit zu leben.» Sie sei nun gelassener und reagiere nicht mehr so ängstlich, wenn es im Bauch rumore. Zudem hätten sich die Beschwerden mit den Jahren gebessert.
Hersteller Allergan schreibt, dass aus den Zulassungsstudien hervorgehe, dass Constella Bauchweh, Blähungen und Verstopfung bei Reizdarm stark vermindere. Es komme zwar oft zu Durchfall, doch meist nur leicht bis mässig. Laut Gebro Pharma ist gut nachgewiesen, dass Lactoferment bei akutem Durchfall gut wirkt. Und Biomed teilt mit, dass Symbioflor 2 von der Arzneimittelbehörde als Therapie bei Reizdarm zugelassen sei. Sanofi schreibt, dass es weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit von Bioflorin bei Reizdarm brauche. Glaxo Smith Kline, Hersteller von Spasmo-Canulase, verweist auf die Packungsbeilage, ebenso Boehringer Ingelheim. Diese Firma sagt zudem, dass verschwommenes Sehen nur bei einer Überdosierung von Buscopan auftrete.
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