Das Justistal ist eine der schönsten Gegenden im Berner Oberland: Über grüne Matten führt der Wanderweg sanft bergab, daneben murmelt ein Bach. Vom lieblichen Tal blickt man hoch zu schroffen Felsen: rechts das Sigriswiler Rothorn, links Gemmenalphorn und Niederhorn mit senkrechten bis überhängenden Felswänden. Die Tageswanderung führt von Innereriz über den Sichlepass ins Justistal. Auf dem Püfelboden lädt ein Picknickplatz zu einer Rast ein, am Holzbrunnen kann man die Feldflasche füllen.
Doch das sollte man besser unterlassen, wie eine Stichprobe des Gesundheitstipp zeigt: Das Wasser des Brunnens enthält Kolibakterien. Kein Einzelfall: 4 von 15 Brunnen in beliebten Wander- und Ausflugsgebieten waren mit Kolibakterien verunreinigt. In einem Brunnen fanden sich zudem Enterokokken. Sie können Infektionen auslösen, vor allem bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Fazit: Wer beim Wandern ausserhalb von Siedlungen von einem Brunnen trinkt, hat keine Gewähr für einwandfreies Wasser.
Die Testpersonen wanderten für den Gesundheitstipp und nahmen Wasserproben von Trink- und Dorfbrunnen. Das Labor untersuchte die Proben auf Keime, Nitrat sowie giftiges Uran, das aus dem Gestein kommt. Zudem mass es, ob das Wasser klar ist.
Kolibakterien und Enterokokken sind Fakälbakterien, sie stammen also aus dem Kot von Tieren und Menschen. Bei Regen werden sie in den Boden geschwemmt. Besonders nach einem Gewitter kann Quell- und damit Brunnenwasser durch die Fäkalkeime verunreinigt sein.
Leo Zberg vom Schweizerischen Brunnenmeister-Verband: «Fäkalkeime im Wasser sind ein Hinweis darauf, dass das Quellwasser im Boden nicht genügend gefiltert wird.» Nur in einer gut gefassten Quelle halte das Erdreich die Keime zurück. Die Hygieneverordnung hält fest: Fäkalkeime dürfen in Trinkwasser nicht enthalten sein.
Am meisten Keime fanden sich im luzernischen Entlebuch: Am Glaubenbergpass nach Sarnen lädt die grösste Moorlandschaft der Schweiz zum Wandern ein. Der Pass ist zudem bei Töfffahrern beliebt. Der Brunnen beim Mittler Rotbach, wenige Meter unterhalb der Passstrasse, ist stark mit Kolibakterien belastet. Zudem stellte das Labor im Wasser eine starke Trübung fest. Verunreinigt war auch das Wasser des Dorfbrunnens im urnerischen Sisikon am «Weg der Schweiz» um den Vierwaldstättersee.
Dorfbrunnen sind besser kontrolliert
Alle anderen getesteten Brunnen in Dörfern lieferten einwandfreies Wasser. Das sei kein Zufall, sagt Daniel Imhof, Kantonschemiker der Urkantone: «Dorfbrunnen sind in der Regel ans Trinkwassernetz der Gemeinde angeschlossen.» Dieses Wasser werde regelmässig kontrolliert und wenn nötig behandelt, etwa mit ultraviolettem Licht, das Keime abtöte.
Im Gegensatz zu Brunnen in der freien Natur seien die Quellen, aus denen Gemeinden das Wasser für Dorfbrunnen beziehen, geschützt: So darf in ihrer Nähe keine Landwirtschaft betrieben werden, damit kein Viehkot in den Boden gelangt. Für Brunnen ausserhalb von Siedlungen gibt es keine Pflicht, die Wasserqualität zu überprüfen.
Neben den Fäkalbakterien mass das Labor auch die Gesamtkeimzahl im Brunnenwasser. Diese Keime machen nicht krank, sind aber ein Hinweis dafür, dass das Wasser verschmutzt ist. Erfreulich: Alle Proben lagen deutlich unter dem Grenzwert von 300 Einheiten pro Milliliter. Auch Nitrat war in keiner untersuchten Probe nachweisbar.
In Bezug auf Uran schnitten die meisten Brunnen gut ab. Uran ist ein giftiges Schwermetall, das sich im Körper ansammelt und Nieren, Lunge, Leber oder Knochenmark schädigen kann. In der Schweiz gilt für Uran ein Grenzwert von 30 Mikrogramm pro Liter. Fachleute raten aber schon bei weit tieferem Gehalt davon ab, das Wasser zu trinken. Ewald Schnug, Professor an der Technischen Universität Braunschweig (D), hält Wasser mit bis zu 2 Mikrogramm Uran für «gerade noch akzeptabel». Genau so viel Uran hat das Wasser aus dem Dorfbrunnen im bündnerischen Valendas.
Die Gemeinde schreibt dem Gesundheitstipp, man sehe «keinen Handlungsbedarf», da das Wasser den Grenzwert einhalte. Man werde aber den Urangehalt «fortan im Auge behalten». Die Betreiber der vier Brunnen hingegen, in denen der Gesundheitstipp Fäkalkeime festgestellt hatte, wollen reagieren. Christian Kropf, Präsident der Wasserversorgung im Justistal, verspricht, am Brunnen auf dem Püfelboden ein Schild «kein Trinkwasser» zu montieren. Auch Isabell Vogel, Pächterin des Hofs Hinter Rotbach am Glaubenbergpass, will ein Warnschild anbringen.
«Solange er funktioniert, lässt man ihn»
Sisikons Brunnenmeister Walter Muheim erstaunen die Kolibakterien im Wasser: Der Brunnen werde jährlich getestet. «Die Qualität war immer gut.» Man will nun das Wasser erneut testen und wenn nötig Massnahmen ergreifen.
Für den Brunnen in Oberhünigen BE ist der Staatsforstbetrieb zuständig. Laut Hanspeter Luginbühl wird der Brunnen «nicht mehr aktiv» unterhalten: «Solange er funktioniert, lässt man ihn.» Angesichts der Resultats der Stichprobe werde der Brunnen «vermutlich in nächster Zeit abgebaut».
Allerdings geht von diesem Brunnen keine unmittelbare Gesundheitsgefahr aus: Sein Wasser enthält nur sehr wenige Kolibakterien. Kantonschemiker Imhof: «Da passiert einem nichts, wenn man das Wasser trinkt.» Er macht deshalb den Gemeinden der Innerschweiz, für die er zuständig ist, keine allzu strengen Auflagen für Brunnen im unbewohnten Gebiet: «Sonst würden viele Brunnen verschwinden, und damit wäre niemandem gedient.»
Imhof rät Wanderern, die Situation vor Ort einzuschätzen, bevor sie von einem Brunnen trinken. Allerdings ist das nicht immer möglich. Auch der Wanderexperte und Buchautor Thomas Widmer, oft zu Fuss in der Schweiz unterwegs, ist manchmal etwas ratlos. In der Regel nehme er gern einen Schluck, wenn er an einem Brunnen vorbeikomme, so Widmer: «Ich sage mir, wenn das Wasser nicht gut wäre, hätte es ein Warnschild am Brunnen.»
Tipps: Bei starkem Regen ist Vorsicht geboten
Bei Brunnen abseits von Siedlungen sollten Wanderer vorsichtig sein. Hier die wichtigsten Tipps für eine Wanderung:
- Nehmen Sie genügend eigenes Wasser, Tee oder andere Getränke mit.
- Meiden Sie Brunnen, wenn tags zuvor ein Gewitter niederging oder es stark regnet.
- Meiden Sie Brunnen, aus denen Quellwasser kommt und die inmitten der Landwirtschaftszone stehen.
- Dorfbrunnen sind in der Regel unbedenklich.
- Das blaue Trinkwasserlogo bürgt für gutes Wasser.
- Den Urangehalt im Trinkwasser von knapp 400 Gemeinden finden Sie auf dem Gratis-Merkblatt «Uran»: zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen gegen ein frankiertes und adressiertes C5-Antwortcouvert bei: Gesundheitstipp, «Uran», Postfach 277, 8024 Zürich.