Mehr als eine Stunde pro Tag kann ich mich nicht konzentrieren. Was ich angefangen habe, muss ich oft auf den nächsten Tag verschieben. Im Haushalt kann ich nichts erledigen, was meine Arme und Schultern anstrengt – zum Beispiel Staub saugen, Fenster putzen oder Wäsche aufhängen. Meinen Beruf als Primarlehrerin musste ich aufgeben. Heute lebe ich von der Invalidenversicherung. Einige Leute verstehen das nicht. Sie sagen: «Was, IV wegen Migräne? Das kann nicht sein. Ich habe auch ab und zu Kopfweh!» Das ärgert mich.
Die Anfälle kommen schleichend: Zuerst habe ich verspannte Schultern und spüre einen Druck im Kopf. Langsam wird die eine Gesichtshälfte taub. Mir wird schlecht, es sticht und pocht im Kopf. Dann bin ich genervt, denn mir wird klar: Die Migräne durchkreuzt wieder meine Pläne. Ich gehe ins dunkle Schlafzimmer und lege mich mit einem Kühlbeutel auf der Stirn ins Bett. Oft höre ich ein Hörbuch, das lenkt mich von den Schmerzen ab. Ein solcher Anfall dauert einen halben Tag bis drei Tage. Ich versuche, genug Wasser zu trinken und esse ab und zu etwas Salziges. Manchmal schlafe ich ein, erwache aber nach ein, zwei Stunden wieder.
Einmal lag ich nach drei Tagen Schmerzen völlig entkräftet am Boden. Mein Mann brachte mich in den Notfall. Dort bekam ich Morphium. Alle anderen Medikamente nützten nichts.
Als ich noch Primarlehrerin war, schluckte ich schon am Morgen im Bett die ersten Tabletten, damit ich überhaupt arbeiten gehen konnte. So wollte ich aber nicht weitermachen, darum kündigte ich. Mein ständiger Konsum von Kopfwehmitteln führte zu weiteren Kopfschmerzen. Deshalb musste ich im Spital einen Entzug von den Schmerzmitteln machen. Ich bekam Mittel gegen Migräne. Diese darf ich an höchstens zehn Tagen im Monat nehmen. Habe ich häufiger Migräne, muss ich manchmal einen Anfall völlig ohne Mittel durchstehen. Das ist kaum auszuhalten.
An guten Tagen habe ich nur leichte Kopfschmerzen, die Schultern und der Nacken sind verspannt. Dann erledige ich ein wenig im Haushalt und gestalte für Freunde kleine Geschenkboxen. Ich baue zum Beispiel ein Restaurant in Miniaturform nach, worin man dann einen Gutschein für ein Abendessen verschenken kann. Am Abend drehe ich mit unserem Hund Snoopy eine kleine Runde. Die grossen Spaziergänge übernimmt mein Mann. Er macht auch sehr viel im Haushalt. Weil ich so zurückgezogen lebe, fühle ich mich manchmal alleine. Einmal in der Woche gehe ich deshalb in einen Chor. Ich singe sehr gerne und bin froh, dass ich Leute treffe.
Vor zehn Jahren strich mir die IV meine Rente. Drei Jahre lang bekam ich kein Geld. Ich hatte Angst, dass ich zum Sozialfall werde. Das Leben schien mir nicht mehr lebenswert. Mein Mann war in dieser Zeit die grösste Stütze. Er ist der einzige, der wirklich erlebt, wie es für mich ist. Mit seiner Hilfe und einem Rechtsanwalt erkämpfte ich mir eine Dreiviertel-IV-Rente zurück. Es ist knapp, aber es reicht zum Leben.
Migräne: Schlimmer als Kopfweh
Betroffene haben pulsierende Kopfschmerzen, die oft einseitig sind. Den Patienten wird übel, sie vertragen weder Lärm noch Licht, manchmal haben sie auch Sehstörungen. Migräne ist nicht heilbar. Medikamente machen die Attacken erträglicher. Man sollte sie aber nicht mehr als zehn Tage im Monat nehmen, weil sie langfristig die Attacken begünstigen. Oft hilft es Patienten, wenn sie sogenannte Triggersituationen meiden («trigger» = Auslöser). Dazu zählen etwa Stress oder Wein. Solche Auslöser erkennt man besser, wenn man in einem Tagebuch notiert, was man getan und gegessen hat.
Internet:www.swissneuro.ch, www.medi-info.ch