Frau Zwahlen, erinnern Sie sich noch an den Anfang Ihrer Karriere?
Ja, denn sie hat mit einem Sturz angefangen! Mit sechs Jahren hatte ich ein Shetlandpony und gleich beim ersten Bauernrennen ist es mit seinen kurzen Beinen im Matsch gestrauchelt. Nach einer halben Runde sind wir gestürzt. Trotzdem habe ich das Rennen beendet.
Kommt es auch heute noch zu Stürzen?
Das kommt selten vor, und ich habe mir dabei zum Glück noch nie etwas gebrochen – obwohl bei den Vollblütern das Tempo noch sehr viel höher ist. Rennpferde können bis zu 70 km/h schnell galoppieren.
Was war Ihre schlimmste Verletzung?
Das war vor sechs Jahren beim White Turf in St. Moritz. Die Bedingungen waren extrem schwierig, der Boden uneben. Mein Pferd stürzte, ich landete unglücklich auf dem Kopf. Ich kam erst im Spital wieder zu mir. Wie ich dorthin gekommen bin, weiss ich nicht mehr, denn ich hatte eine schwere Gehirnerschütterung. Die Folge: Bis heute bin ich etwas empfindlicher im Genick.
Denken Sie an die Gefahren, wenn Sie am Start sind?
Man kennt die Risiken, aber denkt nicht daran. In dem Moment hat man zu viel Adrenalin im Blut.
Wann wissen Sie, dass Sie ein Rennen gewinnen werden?
Das ist schwierig. Wir Jockeys kennen das Pferd, das wir reiten, manchmal gar nicht oder nur vom Sehen. Es gewinnt auch nicht immer der Favorit, denn nicht jeder Reiter passt auf jedes Pferd. Man merkt erst während des Rennens, ob man harmoniert und ob es zum Sieg reichen könnte.
Sie müssen penibel auf Ihr Gewicht achten, oft wird es sogar vertraglich festgelegt. Fällt Ihnen das schwer?
Ich habe kein Problem damit, denn wir trainieren jeden Tag ab halb sechs Uhr morgens mit den Pferden, arbeiten im Stall und gehen zusätzlich noch Joggen oder Velo fahren. Das hält fit und verbraucht viele Kalorien. Aber gegenseitige Diättipps gehören zu diesem Sport dazu. Mein Wettkampfgewicht sind 52 Kilo.
Und wenn Sie mehr wiegen?
Dann muss ich eine Strafe zahlen. Ein halbes Kilo mehr gibt eine kleinere Busse, ab einem Kilo eine höhere Geldbusse plus Verwarnung. Letztlich kann man sogar die Lizenz verlieren.
Früh aufstehen, viel Sport, wenig Essen, am Wochenende arbeiten – klingt nicht gerade nach einem Traumjob …
Für viele nicht, das stimmt. Aber ich selbst lebe genau dafür und mache es jeden Tag gerne, bei jedem Wetter. Manchmal kann man Leidenschaft einfach nicht erklären, sie ist nicht immer logisch.
Zur Person: Karin Zwahlen
Karin Zwahlen ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und hat mit 16 Jahren in Avenches VD die Ausbildung zur Berufsrennreiterin gemacht. In ihrer Karriere hat sie bereits 62 Galopprennen gewonnen. Zwahlen lebt in Niederhasli ZH und reitet aktuell für den Rennstall von Andreas Schärer in Dielsdorf ZH.