Ein Herbstnachmittag in einem Café in der Berner Innenstadt. Iván Echarte Fuentes nippt an einem Espresso. Der 54-jährige Koch trägt ein schwarzes Hütchen, auf seinem weissen T-Shirt prangt ein grosses Logo: Cuba. Iván Echarte will für die Leserinnen und Leser des Gesundheitstipp ein Gericht aus seiner Heimat kochen.
Echarte spricht französisch, manchmal drückt das Spanische durch. Das Menü: Arroz amarillo con Camarones y Calabazas – gelber Reis mit Crevetten und Kürbis. Das ist nicht zu exotisch und sollte die Geschmacksnerven von vielen treffen. Iván Echarte zählt auf, was ins Gericht gehört: «200 Gramm Reis, 200 Gramm Kürbis.» Wie bitte, nur so wenig Kürbis für vier Personen? Echarte überlegt kurz, lächelt, dann erhöht er: «400 Gramm und dazu die Gewürze Safran und Kreuzkümmel.»
Eigentlich gibt es auf Kuba ein klassisches Weihnachtsmenü: Spanferkel am Spiess. Bloss, welcher Kubaner kann sich das heute schon leisten?
Die kubanische Küche und ihre Zutaten reflektieren die Geschichte der Insel. Die Spanier eroberten sie im 15. Jahrhundert und rotteten die einheimische Bevölkerung praktisch aus. Sie verschleppten erst Sklaven aus Westafrika auf die Insel, später auch aus Asien. Die Asiaten brachten Reis, Kochbananen und Gewürze auf die Insel, die Afrikaner Okraschoten oder Yamswurzel, die Spanier das Schwein und Gewürze wie Kreuzkümmel, Kurkuma, Nelken, Kümmel oder Safran. Aus Lateinamerika stammen die Schwarze Bohne, die Maniokwurzel und die vielen Früchte wie Mango oder Papaya.
Der Gesundheitstipp hat einfache Rezepte in einem Merkblatt zusammengestellt (siehe Hinweis). Zum Beispiel Poulet mit Kochbananen, ein Eintopf mit Schweinefleisch oder Reis mit Schwarzen Bohnen.
Meeresfrüchte hats nur selten in den Gerichten
Die kubanische Küche ist keine leichte: Schweine- und Pouletfleisch dominieren, Gemüse sucht man oft vergeblich. Auch Fisch und Meeresfrüchte hats nur selten drin, eine Fischereiindustrie gibt es praktisch nicht: Kuba fischt nur 5 Promille der Menge der USA und liegt weltweit auf Platz 101.
Die deutsche Journalistin Birgit Kahle hat ein Buch über die Geschichte der kubanischen Küche geschrieben. Sie sagt: «Es ist ursprünglich eine Campesinoküche, also eine bäuerliche, ländliche und traditionelle.» Die harte Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern erfordert Kalorien und weniger Gemüse.
Doch für viele Kubaner ist die typische Art zu kochen in weite Ferne gerückt. 1959 vertrieben Fidel Castro und seine Gefährten den von den USA unterstützten Diktator Fulgencio Battista und errichteten auf der Insel einen sozialistischen Staat. Die USA rächten sich mit einem unerbittlichen Handelsembargo – bis heute.
Nahrungsmittel sind auf der Insel knapp. Die Regierung brauchte Devisen und förderte in der Landwirtschaft vor allem den Anbau von Zucker, den sie exportierte – und nicht den von Gemüse. Später öffnete sie die Insel für den Tourismus. Die Lebensmittelläden sind fast leer, viele Nahrungsmittel rationiert. Fleisch, Fisch und Gemüse gehen an die noblen Hotels am Strand – und die wenigen, die im Besitz von Devisen sind. Echarte: «Mit Dollar kann man fast alles kaufen.»
Kubaner essen Reis und Bohnen in allen Formen
Für die meisten Einheimischen sind heute selbst Grundnahrungsmittel wie Maniok oder Yams unerschwinglich. «Eine Kochbanane kostet gleich viel wie ein Päckli Zigaretten», sagt Iván Echarte. Für die Kubaner bleiben oft Reis und Bohnen, die sie in allen Variationen kochen: Sopa de Frijoles, Arroz y Frijoles, Arroz congris. Buchautorin Kahle sagt: «Es gibt eine grosse Diskrepanz zwischen lokalen Rezepten und Gerichten und dem, was bei Kubanern auf den Tisch kommt.»
Iván Echarte studierte in Havanna Ingenieur in Maschinenbau und erwarb sich später das Kochdiplom. Eine Zeitlang arbeitete er auf der Insel in Hotels. Dann floh er von der Insel, wie viele Kubaner, und kam 1998 in die Schweiz. «Ohne nichts», wie er sagt. Sin nada. «Ich versuchte sofort, Französisch zu lernen.» Bald lernte er seine Frau kennen und heiratete. Heute ist er geschieden, seine drei Kinder sind 19, 16 und 13 Jahre alt.
Viele Jahre lang kochte er an den Fiestas von «Muevete» in Bern. Der Verein führt eine Salsa-Tanzschule, vermittelt Schweizern die kubanische Kultur und organisiert Reisen nach Kuba. Echarte: «Ich zeigte den Tänzern, was sie in Kuba kulinarisch erwartet.»
Die Eltern und der Bruder leben noch in Havanna. Regelmässig geht Echarte für kurze Zeit zurück. Er beobachtet, wie sich auf Kuba die Armut ausbreitet: «Viele Menschen hausen in schlechten Hütten.» Und wenn Iván Echarte von Kuba erzählt, werden seine Augen feucht.
Buchtipp
Birgit Kahle, «Kubanisch kochen. Gerichte und ihre Geschichte», Verlag die Werkstatt, Göttingen (D), ca. Fr. 24.–
Gelber Reis mit Crevetten und Kürbis (4 Portionen)
- 1 Zwiebel, gehackt
- Olivenöl
- 400 g grosse Crevetten, geschält
- 200 g Langkornreis
- 400 g Kürbis, in kleine Stücke geschnitten
- 1⁄2 TL Kreuzkümmelpulver
- 1 TL Safranpulver
- 4,5 dl heisse Bouillon (1 TL Fisch-, 1 TL Gemüsebouillon)
Zwiebel kurz in Öl dünsten. Crevetten dazugeben, bis sie rötlich werden, dann Reis kurz mitdünsten. Rest der Zutaten beigeben, kurz weiterdünsten, dann mit Bouillon ablöschen. 20 bis 30 Minuten köcheln lassen, bis der Reis das Wasser aufgesogen hat. Pfanne vom Herd nehmen, 5 Minuten ziehen lassen.
Weitere Rezepte im Gratis-Merkblatt «Kochen wie auf Kuba»
Das Merkblatt lässt sich hier herunterladen.