Als Gudrun Geissberger ins Pensionsalter kam, wurde sie dünnhäutig. «Negative Gedanken kreisten in meinem Kopf», erzählt die 69-jährige Zürcherin. Sie versuchte, das seelische Gleichgewicht mit Yoga und Meditation zu finden. «Doch das half mir nicht mehr.» Ihre Ärztin verschrieb ihr Tabletten mit Johanniskrautextrakt. Solche Mittel wirken ähnlich gut wie chemische Antidepressiva. Sie sind aber besser verträglich, wie mehrere Studien laut Medizintransparent.at zeigen, einem Internetportal der internationalen Forschergruppe Cochrane.
Die Präparate müssen allerdings genügend hoch dosiert sein. Ein Test des Gesundheitstipp ergab, dass die Mittel Jarsin und Rebalance am besten wirken (Gesundheitstipp 11/2015). Auch Gudrun Geissberger machte mit Johanniskraut gute Erfahrungen: «Es hilft mir, das Leben nicht so schwerzunehmen. Und es macht mich ruhiger.»
Der Psychiater Peter Bäurle aus Fruthwilen TG bestätigt: «Bei leichten bis mittelschweren Depressionen hilft Johanniskraut gut.» Nachteil: Es verstärkt unter Umständen die Wirkung von Blutverdünnern und vermindert jene von Antibabypillen. Zudem kann es die Haut empfindlicher für Licht machen.
Auch bei seelischen Problemen wie Angst oder Unruhe helfen sanfte Mittel mit Wirkstoffen aus Heilpflanzen (siehe Tabelle im PDF). Allerdings sind die wenigsten von ihnen so gut erforscht wie Johanniskraut. Bei Schlafstörungen haben sich laut Peter Bäurle Mittel mit Baldrian gut bewährt. Man müsse diese mindestens eine bis zwei Wochen lang und in genügend hoher Dosis einnehmen.
Baldrian habe den Vorteil, dass er nicht süchtig mache und keine Entzugserscheinungen verursache, ergänzt Heilpflanzenexperte Martin Koradi aus Winterthur ZH. «Dies im Gegensatz zu vielen chemischen Schlafmitteln.» Auch Sigrid Chrubasik, Spezialistin für Pflanzenmedizin an der Uni Freiburg (D), zweifelt trotz «mässiger» Studienlage nicht am Nutzen von Baldrian.
Mit Lavendel gegen Angst und Unruhe
In Apotheken gibt es auch Mittel mit Extrakten aus Lavendel und Passionsblume. Laut Peter Bäurle kann es sich lohnen, solche Mittel auszuprobieren. Denn es gebe nur wenige Alternativen zu chemischen Beruhigungsmitteln wie Benzodiazepinen. Diese können abhängig machen.
Studien geben Hinweise, dass Lavendel gegen Angst und Unruhe hilft. Deutsche Forscher verglichen den Nutzen von Lavendelölkapseln bei Angststörungen mit dem Antidepressivum Deroxat. Resultat: Das Pflanzenmittel wirkte etwas besser, zudem löste es beim Absetzen keine Entzugserscheinungen aus.
Allerdings können die Kapseln Nebenwirkungen wie Aufstossen und Hautreaktionen verursachen. Heilpflanzenfachmann Martin Koradi sagt: «Oft hilft schon ein Bad mit Lavendelöl. Dieses wirkt beruhigend.»
Studien zum Nutzen der Passionsblume seien klein und widersprüchlich, sagt Koradi. So zeigte eine Untersuchung mit nur 36 Teilnehmern, dass die Passionsblume besser gegen Angstzustände hilft als das chemische Beruhigungsmittel Seresta. Die Forschergruppe Cochrane kam aber zum Schluss, der Nutzen sei nicht klar belegt.
Bei Mitteln mit Cannabidiol, Ginseng, Rosenwurz und Safran ist noch unklar, ob sie helfen. Fachleute halten die Datenlage für dürftig. Eine englische Übersichtsstudie fand keine Belege für den Nutzen von Cannabidiol bei Depressionen, Angst und anderen psychischen Störungen. Bei Safran in hohen Dosen ergaben sich in Tierversuchen Fehlbildungen. Aus diesem Grund sollten Schwangere und stillende Frauen auf Safranmittel verzichten.
Die Firma Schwabe schreibt, ihr Lavendelmittel Laitea und ihr Rosenwurzpräparat Vitango würden die Anforderungen der Heilmittelbehörde an Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität erfüllen. Hersteller Morga sagt, Meldungen zu Nebenwirkungen von Ginseng gebe es vor allem in den USA, dort werde es oft überdosiert. Die Firma Zeller sagt, Nebenwirkungen könne es bei jedem Arzneimittel geben.
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