Seit Jahrhunderten setzen Therapeuten JohanniskrautPräparate gegen seelische Leiden ein. Mittlerweile gibt es zahlreiche Präparate auf dem Markt. Die Behörden versuchen, diese zu vereinheitlichen. So schreibt das «Europäische Arzneibuch» vor, dass die Präparate drei Wirkstoffe enthalten müssen: Hypericin, Hyperforin und Flavonoide. Diese müssen zudem in einem bestimmten Verhältnis vorhanden sein. Die Heilmittelbehörde Swissmedic verlangt, dass die Hersteller den Gehalt von Hypericin auf der Verpackung deklarieren.
Der Gesundheitstipp liess acht häufig verkaufte Produkte aus Apotheken und Drogerien im Labor testen. Pro Präparat wurden drei Proben aus drei verschiedenen Chargen untersucht.
Andere Mengen als deklariert
Das Resultat: Es gibt riesige Unterschiede bei den einzelnen Präparaten. Einige enthalten so wenig Wirkstoffe, dass sie kaum wirken können. In anderen hat es viel höhere Mengen, als auf der Packung angegeben ist. Zudem unterscheiden sich die Mengen auch innerhalb der Präparate des gleichen Herstellers. Bei der pulverisierten Form des Johanniskraut-Extrakts liess sich im Labor nicht überprüfen, wie viel Wirkstoffe drinstecken.
Ungenügend waren die Kapseln der Zürcher Apotheke Dr. Andres und die «Hypericum-Urtinktur» von Ceres: In beiden Präparaten fanden sich fast keine der vorgeschriebenen Stoffe. Mario Wurglics, pharmazeutischer Chemiker an der Goethe-Universität Frankfurt am Main (D), sagt: «Man kann nicht erwarten, dass diese Produkte wirken.» Sie seien zudem nie wissenschaftlich untersucht worden.
Die Kneipp-Dragees und die Tetesept-Kapseln enthalten pulverisiertes Johanniskraut. In beiden hat es relativ wenig Wirkstoffe. Das Labor konnte nur Hypericin nachweisen. Sie waren deshalb nicht bewertbar. Auch bei diesen Produkten fehlen Studien. Wurglics würde sie nicht empfehlen. Die Kneipp- und Tetesept-Präparate sind in der Schweiz nicht erhältlich. Der Gesundheitstipp kaufte sie in deutschen Drogeriemärkten.
Gut schnitten «Jarsin 450» von Vifor und «Rebalance 500» von Zeller ab. Sie gehören neben «Hyperiforce» zu den drei Präparaten, deren Wirkung mit Studien belegt ist: Alle drei helfen gegen leichte und mittlere Depressionen. Allerdings muss ein Patient pro Tag mindestens 900 Milligramm Trockenextrakt zu sich nehmen.
Bei «Jarsin 450», «Hypericum 650» und «Hyperiforce» stellte das Labor fest, dass sie viel mehr Hypericin enthalten, als auf der Verpackung deklariert ist (siehe Tabelle). Das «Europäische Arzneibuch» sieht vor, dass Extrakte höchstens 0,3 Prozent des Wirkstoffs enthalten dürfen. Zu viel Hypericin kann Nebenwirkungen wie Hautirritationen auslösen. Deshalb sollte man sich an die Dosis halten, die der Hersteller empfiehlt.
Hyperforin kann andere Mittel beeinflussen
In den letzten Jahren mehren sich die Anzeichen, dass Hyperforin der wichtigste Inhaltsstoff im Johanniskraut ist. Deshalb schreibt das US-Arzneibuch – im Gegensatz zum Europäischen – einen Mindestgehalt von 3 Prozent vor. Praktisch kein Hyperforin hat es laut Laboranalyse in «Rebalance 500».
Hyperforin kann allerdings die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Das betrifft zum Beispiel Antibaby-Pillen, aber auch Blutverdünner, HIV- und Krebsmedikamente. Deshalb gilt in Europa ein Höchstwert von 6 Prozent. «Hyperiforce» von Vogel überschreitet ihn deutlich. Wurglics: «Patienten, die Blutverdünner oder andere lebenswichtige Medikamente verwenden,dürfen keine Johanniskraut-Präparate einnehmen, sondern müssen auf chemisch-synthetische Antidepressiva ausweichen.»
Der Zürcher Apotheker Rudolf Andres ist überzeugt, sein Produkt «sei wirksamer und besser verträglich» als andere Präparate, weil er es mit Sonnenblumenöl herstelle. Die Firma Ceres entgegnet, man könne ihre homöopathische Urtinktur nicht mit den Massstäben der Pflanzenmedizin beurteilen.
Kneipp schreibt, eigene Messungen hätten bei ihren Johanniskraut-Dragees Hypericingehalte ergeben, die die EU-Vorschriften erfüllen. Die Wirksamkeit sei durch langjährige Erfahrung belegt, Studien seien nicht nötig. Tetesept sagt, das gesamte Johanniskraut sei der Wirkstoff, nicht nur Hypericin und Hyperforin. Zudem seien die Kapseln als Mittel gegen nervliche Belastung zugelassen, nicht gegen Depressionen. Man könne die Kapseln deshalb nicht mit höher dosierten Präparaten vergleichen.
«Hyperiforce»-Herstellerin Bioforce schreibt, eigene Messungen hätten einen niedrigeren Hypericin-Gehalt ergeben als im Gesundheitstipp-Test. Auch wenn die Menge der Inhaltsstoffe variieren könne, gebe es keine Hinweise auf grosse Unterschiede bei der Wirksamkeit. Die Firma Max Zeller Söhne sagt, Studien würden beweisen, dass «Rebalance 500» ebenso gut wirke wie Extrakte mit viel Hyperforin. Doch sei die Gefahr einer Beeinflussung anderer Medikamente wegen des geringen Hyperforingehalts deutlich kleiner. Vifor und Sandoz, Herstellerin von «Hypericum 650», teilen mit, eigene Tests hätten gezeigt, dass ihre Produkte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Tipps - So wenden Sie Johanniskraut richtig an
Wählen Sie ein Präparat, dessen Wirkung gut untersucht ist.
Johanniskraut-Präparate können Nebenwirkungen haben. Verwenden Sie Johanniskraut deshalb erst nach Absprache mit Ihrem Arzt.
Verzichten Sie auf Johanniskraut, wenn Sie andere Medikamente einnehmen müssen.
Überschreiten Sie die offizielle Tagesdosis nicht. Sonst steigt die Gefahr von Nebenwirkungen.
Die Krankenkassen zahlen die Produkte «Hypericum 650», «Rebalance 500» oder «Jarsin 450». Viele andere Jo-hanniskraut-Mittel werden nur von Zusatzversicherungen übernommen.
Gegen Depressionen helfen nicht nur Medikamente, sondern auch Psychotherapie, Lichttherapie und Sport an der frischen Luft.
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