Wer mit dem Auto das Schloss Lenzburg besuchen möchte, kann sein Fahrzeug auf einen Parkplatz unterhalb des Schlosshügels abstellen. Seit dem letzten Herbst zeigt eine Tafel, welche Parkplätze frei sind. Hinter dem neuen Parkleitsystem steckt moderne Funktechnik: Bei jedem Parkplatz ist im Boden ein Sensor eingebaut. Dieser merkt, ob ein Auto auf dem Parkplatz steht, und funkt diese Information zur Anzeigetafel. Zurzeit sind rund 80 Parkplätze angeschlossen. Doch die Stadt Lenzburg hat grössere Pläne: Sie will rund 600 weitere Parkplätze mit der neuen Technik ausrüsten.
Ermöglicht hat das Projekt die Swisscom. Sie baut seit letztem Jahr in der ganzen Schweiz ein neues Funknetz auf, das sogenannte «Low Power Network». Bis Ende Jahr will der Telecomanbieter damit 80 Prozent der Schweiz abdecken. Wegen der relativ kleinen Sendeleistung braucht die Swisscom für ihr neues Netz keine Konzession vom Bund. Für die neuen Sender ist nur eine Baubewilligung nötig – nach den Regeln der einzelnen Gemeinden.
Funkantennen in Lampen und Briefkästen
Auch andere Objekte lassen sich mit Funk vernetzen. Die Stadt Bellinzona hat auf 600 Strassenlampen kleine Antennen montiert. Per Funk kann man steuern, wie hell sie leuchten sollen. Wenn eine Lampe defekt ist, meldet sie dies an die Zentrale. Auch in Briefkästen wurden Sensoren mit Funkantennen montiert. Sie zeigen über das «Low Power Network» an, ob ein Brief angekommen ist. In Bürogebäuden melden die Antennen, ob ein Sitzungsraum besetzt ist. Und in Rebbergen zeigen sie, ob die Rebstöcke unterkühlt oder zu feucht sind.
Experten kritisieren «Zwangsbestrahlung»
Unabhängige Fachleute sind alarmiert. Niggi Polt, Co-Präsident des Vereins Diagnose-Funk, sagt: «Das neue Funknetz erzeugt zusätzlichen Elektrosmog.» Das verschärfe die gesundheitsschädigenden Auswirkungen des Mobilfunks. Polt spricht von einer «Zwangsbestrahlung»: «Alle werden bestrahlt, aber der Nutzen kommt nur wenigen zugute.» Besonders elektrosensible Menschen seien durch die kabellose Datenübertragung stark betroffen.
Stefan Zbornik von der Initiative Bodensee-Mobilfunk teilt diese Befürchtungen. Das «Low Power Network» schaffe zusätzliche Probleme für Menschen, die heute schon gesundheitliche Reaktionen wegen elektromagnetischen Feldern von Antennenmasten, Handys, WLAN oder Funk-Wasserzählern hätten.
Ein Swisscom-Sprecher sagt, die Leistung der Empfangsstationen liege bei maximal 0,5 Watt, diejenige der Sensoren bei höchstens 0,025 Watt. Die Emissionen seien «äusserst gering». Zum Vergleich: Eine Mobilfunk-Sendeanlage hat eine Leistung von 1 bis 1000 Watt.
Zudem funken die Empfangsstationen laut Swisscom höchstens zweieinhalb Stunden pro Tag, die Sensoren eine Viertelstunde. Die Strahlung des «Low Power Network» sei vergleichbar mit der Fernbedienung von Garagentoren oder Babyphones. Sie liege unter den gesetzlich zulässigen Grenzwerten.
Das beruhigt die Kritiker nicht. Adrian Nussbaumer vom Ingenieurbüro für Nachhaltigkeit in Zug sagt: «Das Gesetz gilt leider nur für die Strahlung einzelner Anlagen, nicht für die Summe der Belastungen.»