Jetzt gibt es eine Alternative zu den bisherigen Corona-Impfstoffen: Die Spritze des Pharmaunternehmens Janssen-Cilag, einer Tochterfirma von Johnson & Johnson, ist in der Schweiz seit Oktober verfügbar. Vorteil: Man muss sich damit nur ein einziges Mal impfen lassen. Doch der Impfstoff steht in der Kritik: Er arbeitet mit einer Technologie, die Forscher auch bei der umstrittenen Gentherapie anwenden. Er enthält ein gentechnisch verändertes Virus mit DNA des Coronavirus. Dieses Gentechvirus transportiert die Corona-DNA bis in den Zellkern. Aus dieser DNA soll die Zelle das Hülleiweiss produzieren, auf welches das Immunsystem reagiert.
Das könnte riskant sein, kritisieren Experten. Denn im Zellkern befindet sich das gesamte menschliche Erbgut. Es sei möglich, dass sich die fremde DNA in das menschliche Erbgut integriere. Gabriele Pichlhofer, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Verein Biorespect in Basel, geht zwar von einem äusserst geringen Risiko aus. Es lasse sich aber «nicht völlig ausschliessen». In der «Pharmazeutischen Zeitung» äusserte auch der Immunbiologe Christian Münz von der Universität Zürich Bedenken. Wenn die fremde DNA das menschliche Erbgut verändere, könne dies zu Krebs führen.
Dieses Risiko belegen Beispiele aus der Gentherapie, die Erbkrankheiten heilen soll: Dort verwendet man gentechnisch veränderte Viren, die gesunde Gene willentlich ins Erbgut der Patienten schleusen. Sie sollen die Funktion der kranken Gene übernehmen. Bei Versuchen und Studien kam es zu mehreren Krebs- und Todesfällen. So erkrankten zu Beginn der 2000er-Jahre in Frankreich und Grossbritannien fünf von zwanzig Kindern an Leukämie, nachdem sie eine Gentherapie gegen ihre Immunschwächekrankheit erhalten hatten.
Hersteller Janssen-Cilag verwendete für seinen Corona-Impfstoff zwar anders bearbeitete Transportviren: Sie haben nicht das Ziel, das Erbgut zu verändern. Doch Tierversuche ergaben, dass solche Transportviren trotzdem zu zufälligen Veränderungen am Erbgut führen können. Dies passiere bei mindestens einer einzelnen von einer Million Zellen, schrieb im Jahr 2002 der Genforscher Kohnosuke Mitani von der University of California in der Fachzeitschrift «Current Gene Therapy». Derartige Veränderungen kann es auch wegen Impfstoffen wie jenem von Janssen-Cilag geben – so das Fazit eines aktuellen Fachartikels des Virologen Walter Doerfler von der Universität Erlangen (D). Wie oft sie vorkommen, sei unklar, schreibt Doerfler in der Zeitschrift «Virus Research».
«Es braucht Studien, um das Risiko abzuschätzen»
Bisher gibt es keine Studien, die untersuchten, ob der Impfstoff von Janssen das Erbgut schädigen kann. Die Arzneimittelbehörde verlangt dies bei der Zulassung eines Impfstoffs nicht. Gabriele Pichlhofer fordert: «Solche Studien muss man jetzt unbedingt machen.» Nur so könne man die langfristigen Risiken abschätzen.
Der neue Impfstoff hat noch weitere Nachteile. Er wirkt nicht besonders gut: Er verhindert im Durchschnitt nur 67 von 100 Infektionen, die mit Beschwerden einhergehen. Zum Vergleich: Bei den Impfstoffen von Pfizer und Moderna sind es 86 bis 95 von 100. Weiter deutet eine Studie der US-Gesundheitsbehörde darauf hin, dass der Janssen-Impfstoff schlechter vor Spitalaufenthalten wegen Covid schützt. Zum Schutz vor der Deltavariante des Virus gibt es zurzeit noch kaum Daten.
Auch Nebenwirkungen treten nicht seltener auf als bei den bisherigen Impfstoffen. Rund jede zweite Person klagte nach der Janssen-Impfung über Schmerzen im Arm, Fieber, Kopfweh oder Müdigkeit. Das ist gleich häufig wie nach einer ersten Dosis der anderen Impfstoffe. Dazu kommt: Das Janssen-Präparat führt in seltenen Fällen zu riskanten Blutgerinnseln.
Fachleute sind sich einig: Die mRNA-Impfstoffe von Moderna und Pfizer sind die bessere Wahl. Sie sind zwar ebenfalls gentechnisch hergestellt, dringen aber nicht bis in den Zellkern vor. Zudem wirken die bisherigen Impfstoffe deutlich besser (Gesundheitstipp 9/2021). Auch Arzt Wolfgang Becker-Brüser von der Zeitschrift «Arznei-Telegramm» bevorzugt die Impfstoffe von Moderna und Pfizer: «Damit hat man schon deutlich mehr Erfahrung.»
Hersteller Janssen-Cilag sagt, sein Impfstoff biete «einen starken und lang anhaltenden Schutz» vor Spitalaufenthalten und Todesfällen. Der Nutzen überwiege das Risiko von Nebenwirkungen. Der Impfstoff richte keinen Schaden am Erbgut an.