Die Spanierin Èlia Muñoz Rubiano wuchs in der Küstenstadt Valencia auf. Als Jugendliche zerstritt sie sich mit ihren Eltern, deshalb zog sie mit 18 Jahren zu Hause aus. «Ich wohnte in besetzten Häusern und wurde drogenabhängig», erzählt die 33-Jährige. Die Probleme wurden grösser und führten schliesslich zum Zusammenbruch. Muñoz Rubiano schaffte zwar den Entzug in einer Klinik. Doch die Therapie war teuer, und sie hatte kein Geld. Da hörte sie von der Möglichkeit, ihre Eizellen zu spenden – damit andere Frauen schwanger werden können. In Spanien ist das erlaubt.
Muñoz Rubiano entschied sich für den Eingriff. Die Klinik gab ihr Hormone mit. Mit einem Pen musste sie diese jeden Abend selber in den Bauch spritzen. So sollte sie die Produktion von Eizellen anregen, die ihr die Ärzte absaugen wollten. Dafür mussten sie ihr eine lange Hohlnadel in die Scheide führen. Diese Prozedur liess sie sechs Mal über sich ergehen. «Ich bekam dafür jedes Mal 900 Euro», erzählt sie.
«Die Frauen verkaufen ihre Eizellen»
Heute denkt Muñoz Rubiano ungern an diese Zeit zurück. «Im Nachhinein fühlte ich mich ausgenutzt, weil ich irgendwann realisierte, dass die Klinik meine Eizellen ja weiterverkauft hat.» Zudem kämpfte sie mit Schuldgefühlen, denn sie hatte gesundheitliche Probleme. Doch sie brauchte das Geld so dringend, dass sie dies den Ärzten verschwieg.
Für die Berner Sozialgeografin Laura Perler ist Èlia Muñoz Rubiano ein typischer Fall. Die Forscherin hielt sich mehrere Monate in einer spanischen Klinik auf und hat ein Buch über die Eizellenspende geschrieben. Sie sagt: «Der Begriff der Spende ist irreführend.» Die Frauen würden ihre Eizellen nicht spenden, sondern verkaufen.
Die Eizellenspende ist heute in rund 20 Ländern zugelassen – in der Schweiz bislang nicht. Doch das wollen Parlament und Bundesrat ändern: Die Landesregierung arbeitet zurzeit ein Gesetz aus, das die Eizellenspende erlauben würde. Bei Fachleuten stösst dies auf heftige Kritik. Die Zürcher Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle spricht von einem riskanten Eingriff (Gesundheitstipp 4/2022). Andere Experten kritisieren, man beute damit Frauen aus. Spenderinnen befinden sich häufig in einer prekären Lebenssituation: Oft sind es Ausländerinnen ohne sicheren Aufenthaltsstatus.
Eine Studie in Spanien bestätigte das vor drei Jahren. Die britische Forscherin Michal Nahman führte Gespräche mit Spenderinnen – etwa mit der 30-jährigen Rumänin Alina, die pro Tag 17 Stunden lang an einem Imbissstand arbeitete und damit ihre zwei Kinder, ihre Mutter und ihren Bruder ernährte. Die Eizellenspende war für sie eine Möglichkeit, schnell Geld zu verdienen.
«Schweizerinnen würden kaum spenden»
Fortpflanzungsmediziner räumen ein, dass sich Schweizer Frauen kaum für eine Eizellenspende zur Verfügung stellen würden. Peter Fehr, Fortpflanzungsmediziner in Zürich, sagt: «Wahrscheinlich würde keine Schweizerin die Prozedur freiwillig auf sich nehmen.» Das heisst: Schweizer Kliniken würden die Eizellen wohl importieren – von Frauen wie Èlia Muñoz Rubiano.
Die 42-jährige Liz Scheier aus Washington (USA) liess sich als junge Frau drei Mal Eizellen absaugen. Auch bei ihr gaben finanzielle Gründe den Ausschlag: «So konnte ich meiner Mutter aus einer Notlage helfen», erzählt sie dem Gesundheitstipp. Diese drohte ihre Wohnung zu verlieren.
Heute bereut Scheier den Eingriff: Die starken Hormone haben ihre Schilddrüse geschädigt. Sie muss deshalb lebenslang Hormone nehmen. Heute hat sie selbst zwei Kinder. Sie sagt: «Mich quält der Gedanke, dass irgendwo weitere Kinder leben, die genau gleich mit mir verwandt sind, von denen ich aber nichts weiss.»
Die Zürcher Juristin Andrea Gisler, ehemalige Präsidentin der Zürcher Frauenzentrale, vergleicht die Eizellenspende mit der Prostitution: «Auch bei der Eizellenspende werden die Frauen und ihre Körperteile zur käuflichen Ware.» Andrea Gisler ist deshalb gegen die Legalisierung: «Es kann nicht sein, dass wir die Eizellenspende mit einem neuen Gesetz noch fördern.»