Es geschah, als ich zum ersten Mal nach der Geburt als Krankenschwester die Nachtwache übernahm. Mein Mann war zu Hause und hörte Gina um 2 Uhr früh noch hüsteln. Um 7 Uhr kam ich nach Hause und mein Mann ging zur Arbeit.
Als mein älterer Sohn Luca erwachte, gingen wir zusammen zu Ginas Bettchen. Sie lag auf dem Bauch. Obwohl ich sie oft in dieser Lage vorgefunden hatte, war ich beunruhigt: Sie lag unter der Decke, ganz oben in der Ecke des Betts. Ich zog die Decke weg und legte meine Hand auf den kleinen Rücken. Er war ganz warm, doch das Baby bewegte sich nicht. Mein Herz raste. Ich hob Gina voller Panik hoch und rief immer wieder ihren Namen.
Erst wollte ich sie zu mir ins Bett nehmen und dachte, dann werde alles wieder gut. Doch dann legte ich sie sorgfältig auf den Boden. Verzweifelt versuchte ich, den kleinen Körper wiederzubeleben, und bettelte: «Bitte öffne die Augen, dein Mami ist da.» Als Gina nicht reagierte, alarmierte ich den Rettungsdienst: «Mein Baby ist am Ersticken.» Ihr kleiner Bruder stand daneben und fragte andauernd in seiner Babysprache: «Lala Bobo?»
Obwohl das Ereignis 16 Jahre zurückliegt, denke ich sehr oft an Gina. Lange hatte ich Angst, dass ich vergessen könnte, wie sie sich anfühlte und roch. Doch noch heute sehe ich sie vor mir und mich überkommt ein warmes Gefühl, voller Liebe. Manchmal vermisse ich sie so stark, dass ich mich zurückziehe und um sie weine. Besonders tiefe, emotionale Erinnerungen kommen an Weihnachten hoch, an ihrem Geburtstag und an ihrem Todestag – da war sie neun Monate alt.
Das Warten auf den Rettungsdienst kam mir wie eine Ewigkeit vor. Die Sanitäter versuchten, das Baby zu reanimieren. Aber es wachte nicht mehr auf. Zwei Beamte befragten mich behutsam, was geschehen sei. Der Gerichtsmediziner stellte plötzlichen Kindstod fest. Trotzdem kam ich mir vor wie eine Verbrecherin.
Die Schuldgefühle belasteten mich noch lange. Ich fühlte mich leer und ausgelaugt. Auch mein Mann konnte den Verlust unseres Babys fast nicht verkraften.
Doch es war mir wichtig, dem zweieinhalbjährigen Luca weiterhin eine gute Mutter zu sein. Eine Selbsthilfegruppe gab mir neue Lebenskraft. Die Verlustangst hat mich aber stark geprägt – und auch Luca, der alles miterlebt hat.
Mein Wunsch, nochmals Mutter zu werden, ging in Erfüllung. Das Baby sollte aber kein Ersatz für Gina sein. Die Angst, dass wir den kleinen Nino auch verlieren könnten, war gross. Die erste Zeit habe ich nachts kaum geschlafen. Immer wieder kontrollierte ich, ob Nino atmete.
Auch wenn wir unser Mädchen nie vergessen werden, sind mein Ex-Mann und ich glücklich, heute zwei fröhliche und gesunde Jungs zu haben.
Plötzlicher Kindstod: So kann man das Risiko senken
Wenn ein gesundes Baby stirbt, lautet die Diagnose: SIDS (Sudden Infant Death Syndrome). Es ist die häufigste Todesursache von Säuglingen im Alter von 14 Tagen bis ein Jahr.
Das Risiko für den Kindstod lässt sich senken, wenn das Baby in Rückenlage schläft und keine Decken und Plüschtiere im Bettchen sind. Während der Schwangerschaft und in der Nähe des Säuglings sollte Rauch vermieden werden. Zudem sollte das Baby nicht überhitzt sein. Säuglinge, die gestillt werden und mit Nuggi einschlafen, sind weniger gefährdet. Dank diesem Wissen sind die Fälle in den letzten 20 Jahren stark zurückgegangen.
Hilfe und Infos
SIDS Schweiz,
Tel. 062 961 06 08,
Janine.mueller@sids.ch