Andreas Fuchs, wie viele Schafe scheren Sie pro Tag?
Das ist sehr unterschiedlich. Etwa fünfzehn pro Stunde, das macht bis zu hundert pro Tag. Meistens arbeite ich an einem Tag an drei oder vier verschiedenen Orten.
Merken Sie das im Rücken?
Ja. Das Schafscheren belastet ihn stark. Ein erwachsenes Mutterschaf wiegt etwa 75 Kilo. Damit ich es scheren kann, setze ich es aufs Hinterteil und halte es mit meinen Beinen und einer Hand fest. Mit der anderen Hand führe ich die Schermaschine.
Haben Sie jeweils Schmerzen?
Das kommt vor. Denn ich muss mich bei der Arbeit ständig bücken. Das ist nicht die Körperhaltung, die Ärzte empfehlen. Manche Arbeitskollegen hängen sich in einen elastischen Gurt, der an einem Gestell hängt. Dies entlastet den Rücken.
Tragen Sie einen solchen Gurt?
Ja, aber selten. Er schränkt mich in meiner Beweglichkeit ein.
Wie lange hält Ihr Rücken das noch aus?
Ich hoffe, dass mein Rücken noch viele Jahre mitmacht. Ich liebe meinen Beruf und bin froh um jeden Tag, an dem ich Schafe scheren kann. Das ist nicht selbstverständlich. Ich bin nicht sicher, ob ich das bis 65 noch machen kann.
Warum nicht?
Weil die Arbeit sehr anstrengend ist. Schon nach einer halben Stunde bin ich jeweils schweissgebadet. Deshalb habe ich stets ein Frotteetuch dabei. Schafscheren ist fast wie Joggen – vom Energieaufwand her. Ich verbrenne viele Kalorien. Nur schon, wenn ich die Tiere aufhebe.
Was machen Sie, um gesund zu bleiben?
Ich ernähre mich gesund und trainiere im Fitnessstudio. Ich schwimme und wandere gerne in den Bergen. Und bei der Arbeit trage ich immer einen wollenen Nierengurt. Schafwolle ist ein sehr gesundes Naturprodukt. Sie wärmt, nimmt viel Feuchtigkeit auf und schützt mich vor Durchzug. Mit dem Nierengurt bleiben meine Muskeln warm und geschmeidig. Ohne ihn könnte ich nicht arbeiten. Nur wenn die Muskeln warm sind, habe ich genug Power.
Warum scheren Sie die Schafe ausgerechnet im Herbst? Wenn es kalt wird, frieren die Tiere.
Nein. Viele Schafe verbringen die kalte Jahreszeit im warmen Stall. Und die Wolle wächst schnell nach. Innert wenigen Tagen ist das Schaf gegen Wind und Wetter wieder geschützt.
Tut das Scheren den Schafen weh?
Nein. Es ist wie beim Coiffeur. Sofern die Messer scharf geschliffen sind, tut es nicht weh. Ich glaube, die Schafe sind sogar froh, wenn ich sie ein- bis zweimal pro Jahr von der Wolle befreie. Sonst würde die Wolle immer weiter wachsen und dann die Tiere stören.
Zur Person: Andreas Fuchs
Seit 28 Jahren arbeitet Fuchs als professioneller Schafscherer. Sein Handwerk hat er in Australien und Neuseeland gelernt. Von Weinfelden TG, wo der 52-Jährige wohnt, fährt er im Frühling und im Herbst zu Schafzüchtern in der ganzen Deutschschweiz.