Esther Basler lag auf dem Behandlungsstuhl bei ihrem Arzt in Biberist SO. Vier Personen standen um sie herum und fixierten ihren Körper. Sie hielten sie an Beinen, Händen und am Kopf. Der Arzt löste dann das Zahnfleisch von den Backenzähnen. Dann zog er ihr mit der Zange zwei Zähne. Der Eingriff fand ohne lokale Betäubung statt.
Siebenjährig war Esther Basler damals. Erinnert sich die 71-Jährige aus Arth-Goldau SZ an die Behandlung, ergreift sie noch heute ein Schauder: «Es war eine einzige Katastrophe.» Viele Jahre hatte sie Panik und Schweissausbrüche, wenn sie zum Zahnarzt oder zur Dentalhygienikerin musste. «Ich war lange Zeit verkrampft und spürte den Schmerz schon, als er noch gar nicht da war. Es war eine Tortur – immer wieder», sagt sie.
Trauma aus der Kindheit als häufige Ursache
Esther Basler ist kein Einzelfall. Eine Studie der schottischen Universität St. Andrews zeigt, dass etwa jeder Zehnte vor dem Termin bei Zahnarzt oder Dentalhygienikerin grosse Angst hat. Etwas mehr Frauen als Männer sind davon betroffen. Die Angst kann so gross sein, dass Betroffene gar nie zum Zahnarzt gehen – und Schäden an Zähnen und Zahnfleisch riskieren.
Rund drei von vier in Studien befragten Personen haben wie Esther Basler als Kind oder Jugendliche eine traumatische Zahnbehandlung erlebt. Die Folge: Betroffene fühlen sich der Situation hilflos ausgeliefert. Esther Basler erinnert sich: «Nahm ich auf dem Behandlungsstuhl Platz, fühlte ich mich ohnmächtig. Ich erwartete regelrecht den Schmerz.» Und dann gab es auch Zahnärzte, die kein Verständnis für ihre Ängste zeigten. Einer unterstellte ihr sogar, dass sie simuliere: «Ich solle nicht so blöd tun, das könne doch nicht so wehtun!»
Zahnarzt Peter A. Zuber aus Wiesendangen ZH rät, die Ängste gleich beim ersten Termin offen anzusprechen. Zudem können Betroffene mit ein paar einfachen Massnahmen ihre Nervosität verringern. Am wichtigsten sei die Atmung: «Legt man die Hand auf den Bauch und atmet dabei langsam tief in den Bauch ein und aus, entspannt man sich enorm.» Es kann auch helfen, wenn man die Position auf dem Behandlungsstuhl ändert oder zwischendurch den Mund ausspült. Und wer sich nach einem Zahnarzttermin nochmals ins Bewusstsein ruft, dass die Behandlung schmerzfrei war, erinnert sich beim nächsten Termin, dass es das letzte Mal gut ging, so Peter A. Zuber.
Diese Erfahrung hat auch Esther Basler bei ihrer Dentalhygienikerin gemacht. Früher hatte sie grosse Angst vor der Prozedur, heute lässt sie diese entspannt über sich ergehen. Der Grund sei eine betäubende Salbe: «Sie sorgt dafür, dass mein Zahnfleisch und die Zahnhälse nicht schmerzen. Und das Beste: Bereits kurz nach der Behandlung ist auch das Taubheitsgefühl im Mund weg.»
Dass betäubende Salben und Sprays wirken, sei unbestritten, sagt auch Peter A. Zuber. «Einzig bei der Dosis ist Vorsicht geboten, da Zusätze wie Adrenalin in zu hoher Menge über die Schleimhaut in den Körper gelangen können.»
Medizinische Hypnosen als Alternative
Manchmal ist die Angst so gross, dass auch einfache Mittel nicht weiterhelfen. Peter A. Zuber empfiehlt in solchen Fällen eine medizinische Hypnose. Sie wird von speziell ausgebildeten Zahnärzten angeboten. Bei dieser Methode werden im Unterbewusstsein die schlimmen Erlebnisse von früher durch neue positive ersetzt. «Das Ziel ist, dass die Ängste in den Hintergrund treten und irgendwann ganz verschwinden.»
Esther Basler steht kurz vor einem grossen Eingriff an ihren Zähnen. Eine gewisse Nervosität sei da, sagt sie. Angst habe sie aber keine: «Das hat auch damit zu tun, dass meine Zahnärztin von meiner Angst weiss und ich ihr vertraue.» Eine vertrauensvolle Beziehung sei für Betroffene unerlässlich, bestätigt Peter A. Zuber. Sein Rat: «Wer sich mit seiner Angst nicht ernst genommen fühlt, soll sich ungeniert einen neuen Zahnarzt suchen.»
Tipps gegen die Angst vor dem Zahnarzt
- Vereinbaren Sie möglichst bald einen Termin zur Kontrolle beim Zahnarzt – trotz Ihrer Angst.
- Erzählen Sie Ihrem Zahnarzt beim ersten Treffen von Ihrer Angst. Suchen Sie sich einen anderen, wenn Sie kein Vertrauen aufbauen können.
- Vereinbaren Sie mit dem Zahnarzt ein Signal, bei dem er die Behandlung unterbricht.
- Informieren Sie sich über die verschiedenen Arten der Betäubung.
- Nehmen Sie Kopfhörer mit, damit Sie während der Behandlung Musik hören können.
- Bei sehr grossen Ängsten empfiehlt sich die medizinische Hypnose. Eine Liste mit Therapeuten kann man bei der Ärztegesellschaft für Hypnose bestellen (info@smsh.ch).
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