Frau Müller, die Sommerferien rücken näher, an den Flughäfen geht es schon jetzt drunter und drüber. Macht Ihnen das Sorgen?
Ja, ich denke, der Sommer wird sehr intensiv. Als Passagier muss man sicher viel Zeit und Geduld mitbringen.
Woran liegt das?
Die Airlines und die Flughäfen haben während der Pandemie viel Personal abgebaut. Das rächt sich jetzt. Mein Dienstplan ist so voll wie nie zuvor. Ich habe nur noch kurze Pausen zwischen den Flügen.
Das klingt nicht gerade familienfreundlich.
Stimmt, für mich gibt es nur selten Wochenenden, Feiertage oder frei an Weihnachten. Teilweise sehe ich meinen Partner mehrere Wochen lang jeweils nur für wenige Stunden am Stück.
Leidet Ihre Beziehung darunter?
Nein, zum Glück akzeptiert mein Mann die Situation. Müsste ich mich zwischen ihm und dem Fliegen entscheiden, wäre das extrem schwer. Flugbegleiterin ist für mich ein Traumberuf, den ich schon als kleines Mädchen machen wollte.
Viele Ihrer Kollegen klagten in den vergangenen Jahren über Burnouts. Woran liegt das?
Wegen der Pandemie ist der Job schwieriger geworden. Vielen Kollegen wurde gekündigt, es gibt weniger Flugbegleiter als vorher. Ausserdem sind die Passagiere gereizter. Das hinterlässt Spuren.
Macht Ihnen auch der Jetlag zu schaffen?
Ja, ich fliege regelmässig nach Bangkok, Hongkong oder Los Angeles. Als Flugbegleiterin bleibe ich meist nur für wenige Stunden am Zielort. Dadurch kann ich mich nicht an die Zeitzone gewöhnen. Der Körper gerät durcheinander, und ich schlafe häufig schlecht. Ausserdem habe ich wegen der ständigen Zeitverschiebung aufgehört, die Antibabypille zu nehmen.
Warum?
Weil ich immer wieder den Überblick verloren habe. Ich nahm die Pille entweder zu oft oder zu selten. Das war mir zu unsicher, deshalb bin ich auf die Spirale umgestiegen.
Haben Sie noch andere Tricks, damit Sie die Zeitumstellung besser vertragen?
Ich höre auf meinen Körper. Das heisst, dass ich mich auch mal nachmittags ins Bett lege und zehn Stunden durchschlafe – oder dass ich morgens um drei Uhr etwas esse.
Wie wirkt sich das ständige Fliegen auf Ihre Gesundheit aus?
Wegen der trockenen Luft im Flugzeug achte ich darauf, dass ich viel trinke. Zudem liess ich mich gegen Gelbfieber und Covid impfen.
Haben Sie an Bord schon mal einen medizinischen Notfall erlebt?
Ja, auf einem Flug von Ibiza nach Zürich hatte ein junger Mann einen Krampfanfall. Er war erst Mitte 20. Zum Glück hatten wir zufälligerweise gleich vier Ärzte an Bord. Am Flughafen Zürich wartete dann schon der Krankenwagen auf dem Rollfeld.
Zur Person
Hanna Müller arbeitet seit 2006 als Flugbegleiterin. Zurzeit fliegt sie für Swiss und engagiert sich in der Gewerkschaft des Kabinenpersonals (Kapers).