Meine Blase meldet sich etwa einmal pro Stunde. An schlimmen Tagen muss ich sogar alle halbe Stunde auf die Toilette – auch in der Nacht. Die WC-Spülung benutze ich dann nur jedes zweite Mal, damit ich meine Nachbarn im Mietshaus nicht störe. Der fehlende Schlaf macht mir zu schaffen. Er macht mich unkonzentriert und vergesslich. Wenn ich Wasser lasse, brennt es jedes Mal. Wenn ich den Toilettengang jedoch hinausschiebe, schmerzt mein ganzes Becken.
Seit bald 30 Jahren leide ich an einer chronischen Blasenentzündung, einer sogenannten interstitiellen Zystitis. Seit kurzem muss ich manchmal in noch kürzeren Abständen auf die Toilette. Das kann dann bis zu zwei Stunden dauern. Dabei macht sich neben der Blase auch der Darm bemerkbar. Das bereitet mir Angst. Oft fühle ich mich nicht ernstgenommen. Einige Ärzte führten mein Problem auf die Psyche zurück. Aber ich bin keine Simulantin! Ich habe schon vieles ausprobiert.
Einmal füllte ein Arzt meine Blase via Katheter mit Eiswasser. So kann man herausfinden, ob die Nerven richtig miteinander kommunizieren. Das tat höllisch weh. Andere Ärzte haben mir Nervengift in die Blase gespritzt. Auch das half nicht. Man wollte mir die Blase auch schon entfernen. Ein künstlicher Blasenausgang wäre für mich in Ordnung. Allerdings konnte mir kein Arzt garantieren, dass ich danach keine Schmerzen mehr habe. Darum habe ich mich bislang dagegen entschieden.
Meine Gedanken kreisen den ganzen Tag um meine Blase. Manchmal sage ich ihr: Gib doch endlich Ruhe! Damit ich nicht zu tief in ein Loch falle, treffe ich mich regelmässig mit Bekannten. Ich will am Leben teilnehmen, gehe ins Museum oder ins Theater. Aber das bedeutet Stress. Ich sitze stets am Rand des Zuschauerbereichs, damit ich niemanden störe, falls ich frühzeitig hinausgehen muss. Ich kenne alle öffentlichen Toiletten in der Umgebung. Leider kann ich mich nicht immer darauf verlassen.
Kürzlich waren von drei Toiletten eine ohne Licht, eine ausser Betrieb und bei der dritten die Tür nicht verschliessbar. In der Not gehe ich auch hinter die Büsche. Es bleibt mir nichts anderes übrig. Seit einigen Jahren lebe ich allein. Meine beiden Töchter sind erwachsen. Es hilft mir, dass ich auf niemanden Rücksicht nehmen muss und meine Zeit frei gestalten kann. Ich träume davon, einmal einen Tag schmerzfrei zu sein.
Schmerzmittel helfen mir nur, wenn zur chronischen eine akute Blasenentzündung hinzukommt. An eine Heilung glaube ich nicht, aber eine Linderung meiner Krankheit wäre schön.
Die Krankheit ist nicht heilbar
Bei der interstitiellen Zystitis ist die Harnblase entzündet, ohne dass diese von Bakterien oder Viren befallen ist. In neun von zehn Fällen sind Frauen betroffen. Sie haben Schmerzen an der Blase, im Becken oder im Unterleib und müssen häufig Wasser lassen. Die Ursache ist nicht bekannt, die Krankheit nicht heilbar. Schmerzmittel und Medikamente sollen helfen, die Blasenschleimhaut aufzubauen. Infrage kommen auch Behandlungen, bei denen man die Blase spült oder dehnt. Manchmal hilft ein Blasentraining, bei dem man den Toilettengang hinauszögert.