Heidi Brodbeck aus Ennetbühl SG hatte starke Rückenschmerzen. «Ich konnte nicht mehr auf dem Rücken liegen», erinnert sich die 79-Jährige. Deshalb liess sie sich von einem Rheumatologen untersuchen. Das Röntgenbild und das Messen der Knochendichte zeigten den Grund für die Schmerzen: Osteoporose. Die Krankheit greift die Rückenwirbel an. Sie können in sich zusammensacken und massive Rückenschmerzen verursachen.
Gegen die Osteoporose nahm Brodbeck Bisphosphonate. Diese Medikamente hemmen den Knochenabbau und bewirken, dass die Knochen fester werden. «Zuerst nahm ich Fosamax, dann Actonel», sagt Heidi Brodbeck. Doch die Actonel-Tabletten lösten starke Kieferschmerzen aus. «Nachdem ich das Medikament abgesetzt hatte, verschwanden sie.»
Erhöhtes Risiko für Speiseröhrenkrebs
Bisphosphonate gelten zwar als wirksame Mittel gegen Osteoporose. Studien zeigten, dass sie das Risiko für Knochenbrüche um etwa die Hälfte vermindern. Doch Bisphosphonate haben manchmal schwere Nebenwirkungen: Sie können zum Absterben des Kieferknochens führen (Gesundheitstipp 12/09). Zudem steigt das Risiko für Speiseröhrenkrebs. Das belegt eine Studie der britischen Uni Oxford.
Fachleute kritisieren deshalb seit Jahren, Ärzte würden Bisphosphonate zu oft verschreiben. Der Basler Arzt Urspeter Masche fordert, Ärzte sollten das Medikament nur Patientinnen mit einem hohen Risiko für Knochenbrüche verordnen. Ein hohes Risiko haben zum Beispiel Frauen, die oft stürzen oder schon einmal wegen Osteoporose einen Knochenbruch erlitten haben. Die deutsche Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» empfiehlt, Bisphosphonate nicht länger als drei bis vier Jahre zu verwenden. Danach kann das Gegenteil der erhofften Wirkung eintreten. Eine kanadische Studie zeigte, dass Frauen, die länger als fünf Jahre ein Bisphosphonat bekamen, dreimal mehr Oberschenkelbrüche erlitten (Gesundheitstipp 4/2011).
Neue Medikamente nicht besser
In den letzten Jahren kamen neue Medikamente auf den Markt. Doch sie sind laut Fachleuten nicht besser als Bisphosphonate: Prolia zum Beispiel enthält Antikörper, die auf das Immunsystem einwirken. Studien zeigten ein erhöhtes Risiko für schwere Haut-, Ohren- und Harnweg-Infektionen. Arzt Masche sieht keinen Grund, Prolia den Bisphosphonaten vorzuziehen: «Zudem ist es fast doppelt so teuer.»
Andere Medikamente wirken wie Hormone, etwa Evista und Conbriza. Zu den Nebenwirkungen gehören Schlaganfälle und Blutgerinnsel. Für Urspeter Masche ist Evista ein Mittel «zweiter Wahl». Der Schutz vor Knochenbrüchen sei weniger gut belegt als bei anderen Medikamenten.
Auch Forsteo funktioniert wie ein Hormon. Bei Versuchen bekamen Ratten Knochenkrebs. Deshalb findet die Zeitschrift «Arznei-Telegramm», der Nutzen stehe «in keinem Verhältnis» zum Krebsrisiko.
Mittel mit Kalzium und Vitamin D umstritten
Knochen brauchen Kalzium. Deshalb verschreiben viele Ärzte ihren Patientinnen kombinierte Präparate mit Vitamin D und Kalzium. Doch diese geraten zunehmend in die Kritik. Eine Übersichtsstudie der Cochrane-Forschergruppe fand keine klaren Belege für den Schutz vor Knochenbrüchen.
Zur Kritik der Fachleute entgegnet die Pharmafirma Merck, Sharp & Dohme, Fosamax sei eine «wirksame Option mit günstigem Sicherheitsprofil». Bonviva-Hersteller Roche räumt ein, dass «vereinzelte Fälle» von Speiseröhrenkrebs auftraten. Es gebe aber keinen Beweis, dass Bonviva der Grund sei. Novartis schreibt zu Aclasta, Kieferprobleme seien vor allem bei Krebspatienten aufgetreten. Laut Studien würden Patienten mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche profitieren, wenn sie Bisphosphonate länger als drei Jahre einnehmen. Millionen von Patienten haben laut Novartis Präparate mit Vitamin D und Kalzium geschluckt – sie seien «sicher und wirksam». Die Firma Amgen sagt, Prolia wirke besser als Bisphosphonate. Das hätten wissenschaftliche Studien bewiesen. Infektionen seien unter Prolia nicht häufiger als bei anderen Mitteln.
Daiichi Sankyo schreibt, laut Studien verbessere Evista die Knochengesundheit. Herzinfarkte und Schlaganfälle seien nicht häufiger aufgetreten als bei Patienten, die ein Scheinmedikament erhielten. Eli Lilly entgegnet, es gebe keine Beweise für den Zusammenhang von Knochenkrebs und Forsteo. Conbriza-Hersteller Pfizer sagt, Angaben zu Schlaganfällen und Thromboembolien seien in der Fachinfo erwähnt.
Meditel: Fragen Sie die Ärztinnen
Osteoporose
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