Der 1. November 2017 hat Ursula Kummlers Leben verändert. An diesem Tag legte sie sich im Lindenhofspital in Bern unters Messer. Augenarzt Jürg Menzi setzte ihr im rechten Auge eine künstliche Linse ein. Das war nötig, weil die heute 68-jährige Bernerin am grauen Star erkrankt war. Dadurch trübt sich die Linse und man sieht nicht mehr scharf. Das Einsetzen einer neuen Linse ist die häufigste Augenoperation und verläuft meist problemlos.
Doch für Kummler wurde der Eingriff zum Horrorerlebnis. «Während der Operation hatte ich entsetzliche Schmerzen», erinnert sie sich. Als der Chirurg die Linse einsetzte, wirkten die Betäubungstropfen nicht mehr, die sie vom Pflegepersonal erhalten hatte. Der mutmassliche Grund: Die Patientin musste 20 bis 30 Minuten warten, bis der Chirurg bereit war. «Ich sagte, ich hätte Schmerzen», erinnert sich Kummler. «Aber weder Chirurg Menzi noch der für die Betäubung verantwortliche Arzt reagierten. Jürg Menzi hat einfach weitergearbeitet.» Erst als die Operation fast beendet war, habe er gesagt, sie sei verkrampft und schliesslich veranlasst, dass sie ein Schmerzmittel bekam.
Am folgenden Tag stellte Arzt Menzi fest, dass die neue Linse verschoben war. Er verwies die Patientin ans Inselspital. Dort versuchten die Ärzte der Augenklinik, die Kunstlinse an den richtigen Ort zu verschieben – vergeblich. Deshalb mussten sie die Linse aus dem Auge entfernen. Dabei stellten die Ärzte fest, dass das Auge verletzt war: Die natürliche Hülle der Linse war bei der Operation im Lindenhofspital gerissen. Kurz vor Weihnachten bekam die Patientin im Inselspital eine neue Linse. Diesmal verlief die Operation ohne Schmerzen.
Die Folgen der missglückten Operation belasten Ursula Kummler bis heute. Auf dem rechten Auge sieht sie nur noch ungefähr 10 Prozent, mit Brille 60 Prozent. Der Grund: Die Ärzte im Inselspital mussten die Hornhaut nähen. Seither ist sie verkrümmt.
Betäubungstropfen wirken nur 20 Minuten
Augenarzt Isaak Schipper aus Kriens LU sagt, die Probleme seien vor allem entstanden, weil das Auge ungenügend betäubt war: «Nach etwa 20 Minuten lässt die Wirkung der Tropfen stark nach.» Schipper vermutet, dass die Patientin wegen der Schmerzen die Lider zudrückte. «Das erschwert die Operation und erhöht die Gefahr von Komplikationen.» Er kommentiert, es wäre besser gewesen, wenn der Chirurg die Operation an diesem Punkt abgebrochen und die Patientin mit einer Vollnarkose oder einer starken Betäubungsspritze weiterbehandelt hätte.
Kleiner Trost für Kummler: Chirurg Menzi zahlte ihr 5000 Franken als «Rückvergütung» für die zusätzlichen Kosten, die sie wegen der misslungenen Operation tragen musste. Trotzdem ist Kummler enttäuscht: «Natürlich kann ein Fehler passieren. Aber ich musste viel Aufwand betreiben, um den Augenarzt dazu zu bewegen, wenigstens die entstandenen Zusatzkosten zu übernehmen.» Zudem wäre eine Entschädigung für die Folgen der Operation angebracht, findet Kummler: «Meine Lebensqualität war monatelang stark beeinträchtigt und die Sehkraft bleibt eingeschränkt.»
Jürg Menzi sagt, er habe Ursula Kummler wie alle Patienten vor der Operation über allfällige Komplikationen aufgeklärt. Die Patientin habe während der Operation «leider erst spät» über Schmerzen geklagt. In seltenen Fällen sei es möglich, dass Patienten in einer Stresssituation kaum auf Schmerzmittel ansprechen. Der Riss der Linsenhülle gehöre zu den häufigsten Komplikationen, sei gut beherrschbar und verursache nie Schmerzen. Er habe die Operation «technisch richtig und in kurzer Zeit» beenden können. Menzi sagt, die Hornhautverkrümmung werde erfahrungsgemäss in den nächsten Monaten bessern.
Grauer Star: So vermeiden Sie Probleme bei der Operation
- Manche Augenärzte setzen den Patienten ungefragt teure Speziallinsen ein. Die Krankenkassen zahlen aber nur die günstigeren Standardlinsen. Diese genügen für die meisten Patienten.
- Holen Sie bei verschiedenen Augenärzten Offerten ein.
- Lassen Sie beide Augen innerhalb des gleichen Jahres operieren. So müssen Sie die Franchise der Krankenkasse nur einmal zahlen.
- Wichtig: Das eine Auge muss richtig verheilt sein, bevor Sie das andere operieren lassen.
- Suchen Sie das Gespräch mit dem Arzt, wenn bei der Operation etwas schiefgelaufen ist.
- Falls das Gespräch nichts bringt, lassen Sie sich beraten:
- Patientenstelle.ch, Tel. 0900 104 123, Fr. 2.20/Min., oder Spo.ch Tel. 0900 567 047, Fr. 2.90/Min.