Vor zwei Jahren fühlte sich Süleyman Zengin (Name geändert) oft müde. Dann litt er plötzlich so unter stechenden Rückenschmerzen, dass er notfallmässig ins Spital ging. Die Ärzte untersuchten ihn mit Computer- und Magnetresonanz-Tomografie. Das Ergebnis erschreckte den 44-Jährigen: Die Ärzte fanden Bandwurmlarven in seinem Rückenmark. Um sie zu entfernen, war eine komplizierte Operation nötig. Auch seelisch belastete die Infektion Süleyman Zengin stark. «Ich hatte Angst, ich müsse sterben», sagt er. «Die Ärzte sagten mir, dass die Krankheit zum Tod führen kann, wenn man sie zu spät behandelt.» Jetzt geht es ihm wieder besser. Wo er die Larven aufgelesen hat, weiss er nicht. Der gebürtige Türke vermutet, dass er sich in der Türkei beim Schlachten von Schafen angesteckt hat.
Fleischkontrollen können Infektionen verhindern
Es kommt zwar selten vor, dass sich Bandwurmlarven in der Wirbelsäule einnisten. Doch weil immer mehr Ferienhungrige in ferne Länder fliegen, steigt die Gefahr, dass sie sich mit Würmern anstecken, zum Beispiel durch ungenügend erhitztes Fleisch (siehe PDF).
Der Zürcher Reisemediziner Bernhard Beck sagt: «In Ländern wie Thailand, Indien und Kamerun müssen Reisende besonders aufpassen.» Denn dort leben oft viele Menschen zusammen mit Haustieren auf engem Raum.
In der Schweiz ist das Risiko klein, dass man sich mit rohem Fleisch, etwa über Beefsteak Tatar, mit Würmern ansteckt. Die Spitalstatistik zeigt, dass pro Jahr nur zwei bis vier schwere Rinderbandwurm-Infektionen passieren. Die meisten Würmer werden von Haustieren oder Füchsen auf Menschen übertragen: 2013 mussten über 160 Patienten wegen Hunde- und Fuchsbandwürmern ins Spital (Gesundheitstipp 9/2015).
Zwar sind laut Studien 4 bis 8 Prozent der Schweizer Schlachtkühe mit Bandwurmlarven befallen. Doch Peter Jakob, Experte für Fleischhygiene beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, sagt: «Im Schlachthof werden alle Tiere vor und nach dem Schlachten durch den amtlichen Fleischkontrolleur untersucht.»
«In fernen Ländern kein rohes Fleisch essen»
Doch in Ländern ausserhalb der Europäischen Union weiss man nicht immer genau, ob das Fleisch gründlich kontrolliert wurde. Dies gilt vor allem für tropische Regionen. Dort führen Lebensmittel, die mit Eiern des Schweinebandwurms verseucht sind, manchmal zu gefährlichen Krankheiten.
Infektiologin Cornelia Staehelin vom Berner Inselspital erklärt: «Die Larven können die Darmwand durchbohren und sich in Muskeln oder manchmal auch im Auge, im Hirn oder im Rückenmark festsetzen.» Staehelin empfiehlt: «Bei Reisen in ferne Länder sollte man kein rohes Fleisch essen.»
Laut dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung gehören auch Rumänien, Bulgarien und die baltischen Staaten zu den betroffenen Gebieten: In diesen Ländern kann man sich beim Essen von ungenügend erhitztem Fleisch eher mit Fadenwürmern anstecken.
Barfusslaufen: Vorsicht, Hakenwürmer!
In tropischen Ländern gibt es auch andere Übertragungswege: Beim Barfusslaufen auf Böden, die mit Tierkot verschmutzt sind, kann man sich mit dem Hautmaulwurf anstecken. Das sind Larven des Hakenwurms. Sie kriechen unter der Haut umher und hinterlassen dabei rote, juckende Gänge. Reisemediziner Beck sagt: «Das ist eine der häufigsten Wurmerkrankungen bei Reisenden.» Schützen kann man sich problemlos – indem man in Risikogebieten am Strand nicht barfuss geht und auf Matten liegt.
Auch beim Baden in tropischen Flüssen und Seen droht Ansteckungsgefahr – durch Larven von Saugwürmern. Diese verursachen eine der häufigsten Tropenkrankheiten, die Bilharziose. Die Larven bohren sich in die Haut und wandern in die Blase. Dort lösen sie chronische Entzündungen aus. Die Bilharziose kann zum Tod führen. In der Schweiz müssen jedes Jahr 15 bis 20 Patienten wegen dieser Krankheit ins Spital. Zum Beispiel Claudia Halbeisen: Sie trank in Zimbabwe verseuchtes Wasser. Zwei Jahre später hatte sie so starke Schmerzen, dass sie maximal 5 Minuten stehen konnte (Gesundheitstipp 9/2006).
Der Luzerner Reisemediziner Svend Capol erklärt: «Die Ansteckungsgefahr ist ziemlich stark eingeschränkt, wenn man die wichtigsten Hygieneregeln befolgt: Cook it, peel it, boil it or forget it.» Das heisst: Man sollte kein rohes Obst, Gemüse oder Fleisch essen, sondern nur Speisen, die komplett durchgegart sind und heiss serviert werden. Früchte wäscht man in sauberem Wasser oder schält sie.
Weitere Tipps auf Reisen:
- Waschen Sie immer die Hände vor dem Essen.
- Verzichten Sie auf rohes Fleisch und rohen Fisch.
- Essen Sie keinen Salat oder anderes rohes Gemüse.
- Trinken Sie nur abgekochtes oder in Flaschen abgefülltes Wasser.
Nobelpreis für Wurmbekämpfer
Die Entdeckung von Wirkstoffen gegen Wurmkrankheiten wurde dieses Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die irischen Forscher William C. Campell und sein japanischer Kollege Satoshi Omura entdeckten den Wirkstoff Avermectin. Dieser revolutionierte die Behandlung gegen tropische Wurmkrankheiten wie Elefantiasis und Flussblindheit (siehe Tabelle). Dies so stark, dass diese Krankheiten kurz vor der Ausrottung stünden, so das Nobelpreiskomitee.