Morgens aufstehen und frühstücken. Was für die meisten Menschen das Normalste auf der Welt ist, schaffte Maria Schröder aus Basel oft nicht.
Mit 18 Jahren zog sie von zu Hause aus. Doch mit den vielen Aufgaben des Alleinlebens – Einkaufen, Kochen, Waschen – war sie überfordert. Sie zog sich mehr und mehr zurück und rutschte in eine Depression ab.
«Ich wollte nichts mehr wissen von der Welt.» Zwar begann Schröder eine Psychotherapie, quälte sich durch die Schule. Aber so richtig gut ging es ihr nie mehr.
Fast vier Jahre dauerte dieser Zustand. Vor einem halben Jahr trennte sie sich von ihrem Freund und schlitterte noch tiefer in die Krise. Da musste sie sich eingestehen: So kann es nicht weitergehen. Freiwillig ging sie in die psychiatrische Klinik Schützen in Rheinfelden AG. «Das hat mich viel Überwindung gekostet.» Beim Eintritt sagte man ihr: Depressive Patienten würden acht bis zehn Wochen in der Klinik behandelt.
Doch schon nach drei Wochen stellte sich Maria Schröders Krankenkasse, die Assura, quer: Man zahle nur für sechs Wochen. Zweimal schrieb die Klinik der Assura und beantragte, die Therapie auf zehn Wochen zu verlängern. Es sei nötig, die Patientin länger in der Klinik zu stabilisieren, «damit sie nach Austritt nicht in eine depressive Krise zurückfällt».
Die Assura wollte nicht auf den Klinikarzt hören
Doch die Assura hatte kein Einsehen. Den endgültigen Bescheid erhielt Maria Schröder am Mittwoch, 3. September: «Ich erfuhr, dass ich eine Woche später austreten müsse.» Das war ein Riesenschock für die Patientin. Sie ertappte sich beim Gedanken, sich das Leben zu nehmen: «Ich dachte daran, mich vor den Zug zu werfen.»
Auch als der Oberarzt der Klinik Schützen mit dem Vertrauensarzt der Assura telefonierte, änderte sich nichts, bis Schröder sich ins Gespräch einschaltete. Sie schilderte dem Vertrauensarzt, wie verzweifelt sie sei. Das Ergebnis: Die Assura willigte ein, den Klinikaufenthalt zumindest acht Wochen lang zu bezahlen. Trotzdem ist Schröder enttäuscht von der Assura. Noch wenige Wochen zuvor hätte sie nicht die Kraft gehabt, sich zu wehren: «Dann wäre ich wieder zu Hause gelandet, die ganze Therapie wäre für nichts gewesen.»
Die Assura schreibt, sie müsse «prüfen, ob die Behandlung wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich» sei. Im Fall von Maria Schröder hätten der Klinikarzt und der von der Assura beigezogene Arzt «telefonisch zu einem Konsens gefunden».
Andere Patienten haben ähnliche Probleme mit ihrer Krankenkasse. Der Druck habe stark zugenommen, sagt Joachim Küchenhoff, Direktor Erwachsenenpsychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Baselland: «Wir müssen eine Therapie in der Klinik viel rascher rechtfertigen als noch vor drei, vier Jahren. Die Ungewissheit, wie lange die Kasse den Aufenthalt zahlt, kann sowohl Therapeuten als auch Patienten stark verunsichern und damit den Erfolg der Therapie gefährden.»
Kommt dazu: Wer auf eine psychiatrische Klinik angewiesen ist, hat gegenüber der Krankenkasse rechtlich einen schweren Stand. Denn es ist nicht geregelt, was die Kasse zahlen muss. Es gilt nur allgemein, dass die Kasse zahlt, solange der Patient «spitalbedürftig» ist – ein dehnbarer Begriff. Das letzte Wort hat nicht der behandelnde Arzt, sondern der Arzt im Dienst der Krankenkasse. Bei Maria Schröder hat dieser seinen Spielraum zugunsten der Kasse ausgeschöpft.
Anders ist es, wenn ein Patient mit Depressionen ambulant eine Psychotherapie besucht. Hier gibt es genaue Regeln: Die Grundversicherung muss 40 Therapiestunden bezahlen. Nur wenn dies nicht ausreicht, darf sie vom Arzt einen Bericht verlangen. Dass für Therapien in einer Klinik klare Bestimmungen fehlen, ist für Barbara Callisaya von der Patientenstelle Zentralschweiz unverständlich: «Hier braucht es einen Standard. Bei einer mittelschweren bis schweren Depression scheinen mir acht bis zehn Wochen als Minimum sinnvoll.»
Tipps: Konflikt mit der Kasse: So gehen Sie vor
Listen und Verordnungen legen fest, was die Krankenkasse bezahlen muss. Trotzdem gibt es immer wieder Streitfälle. So wehren Sie sich:
- Bitten Sie Ihren Arzt, dass er sich schriftlich bei der Kasse für Sie einsetzt.
- Nützt das nichts, sollte der Arzt direkt mit dem Vertrauensarzt der Kasse sprechen.
- Verlangen Sie von der Kasse eine Verfügung. Diese können Sie rechtlich anfechten.
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