Wie viel Geld steht Ihnen zurzeit zur Verfügung?
1356 Franken. Das Geld stammt von der Sozialhilfe und aus Unterhaltszahlungen.
Was müssen Sie damit zahlen?
Essen, Kleider, Schulgeld oder mein Halbtax-Abo. Zudem leidet mein Sohn unter einer starken Sehbehinderung und braucht jedes Jahr eine neue Brille. Er spielt auch in einer Gruppe der Musikschule. Das kostet ebenfalls. Die Wohnungsmiete und die Prämien für die Krankenkasse zahlt hingegen die Sozialhilfe.
Reicht das Geld?
Nein. Ich kann zwar Rechnungen bezahlen. Aber Extrakosten werden zum Problem. Ich bin jeden Monat auf null. Ich überlege mir, wie ich das Skilager meines Sohns zahlen kann. Das sind 400 Franken, die ich nicht habe.
Wieso arbeiten Sie nicht?
Ich kann nicht arbeiten. Ich habe die Krankheit essentieller Tremor: Meine Hände zittern stark. Ich bin Bäckerin, kann aber keinen Teig kneten und nichts Schweres tragen.
Dagegen gibt es Medikamente. Nehmen Sie keine?
Nein. Ich vertrage sie nicht und leide unter starken Nebenwirkungen.
Seit wann sind Sie in dieser Situation?
Seit meiner Scheidung vor einigen Jahren. Sie hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Mein Sohn lebt bei mir. Ich übernehme alle Kosten, die entstehen. Ich erhalte von meinem Ex-Mann keine finanzielle Unterstützung. Das macht mich wütend.
Wie zeigt sich diese Wut?
Manchmal fliegen Teller an die Wand. Es kommt auch vor, dass ich auf dem Boden sitze und weine. Vor meinem Sohn würde ich die Wut aber nie zeigen. Ich möchte nicht, dass er diese Seite von mir sieht.
Geht es Ihnen danach besser?
Ja. Zwar ärgert mich das zerbrochene Geschirr. Aber es tut einfach gut. Ich fühle mich danach gelöster.
Armut führt bei Betroffenen oft zu Stress oder Depressionen. Wie ist es bei Ihnen?
Ich bin nicht depressiv. Aber ich verspüre oft Angst, weil ich nicht weiss, ob wir im nächsten Monat über die Runden kommen.
Weihnachten steht vor der Türe. Freuen Sie sich auf das Fest?
Ich feiere mit meinem Sohn und meiner Schwägerin. Liebe Menschen um mich zu haben, tut mir gut. Die Schaufenster mit den vielen Waren verbittern mich jedoch. Ich kann mir davon ja nichts leisten.
Leiden Sie darunter?
Nein. Das ist nun mal mein Leben. Ich bin gut vernetzt. Ich helfe auf einem Bauernhof mit. Dafür darf ich frisches Gemüse mitnehmen. Irgendwie geht es immer.
Versteht Ihr Sohn die Situation?
Ja. Er kommt aber jetzt in die Pubertät und interessiert sich zum Beispiel für Markenprodukte. Doch er weiss, dass wir für teure Schuhe kein Geld haben. Im Sommer verdient er daher etwas Sackgeld, etwa mit Rasenmähen bei Nachbarn. Mit dem Geld kauft er dann seine Schuhe.
Was leisten Sie sich persönlich?
Ab und zu macht mir eine Freundin eine Maniküre. Wenn meine Hände schon zittern, sollen sie wenigstens schön aussehen.
Zur Person
Corina Speck
Corina Speck lebt mit ihrem 12-jährigen Sohn in Grub AR. Sie kocht gern und sammelt Kochbücher. Zudem geht sie oft spazieren.