Ärzte verschreiben vielen Frauen ein Medikament gegen Knochenschwund, die sogenannte Osteoporose. Die neusten Medikamente sind Evenity und Forsteo. Anders als bisherige Osteoporose-Mittel hemmen sie nicht nur den Abbau der Knochen, sondern sollen ihr Wachstum fördern. Und sie sind viel teurer als ältere Mittel: Die Behandlung mit Forsteo kostet rund 5000 Franken pro Jahr, bei Evenity sind es sogar rund 6200 Franken (siehe Tabelle).
Risiko für schwere Herzkrankheiten steigt
Jetzt wollen Ärzte diese teuren Mittel viel mehr Frauen verabreichen. Die neue Leitlinie des Dachverbands Osteologie (DVO) empfiehlt Evenity oder Forsteo allen Frauen, bei denen das Risiko, innert drei Jahren einen Knochenbruch zu erleiden, zehn Prozent oder mehr beträgt.
Gesundheitstipp-Ärztin Stephanie Wolff kritisiert, wegen der neuen Richtlinie würden Frauen, die bisher nicht als behandlungsbedürftig galten, unter die Therapieschwelle fallen: «Unter dem Deckmantel der Prävention empfehlen Ärzte jetzt viel mehr Frauen teure Medikamente.»
Doch die neuen Mittel sind umstritten. Zwar zeigen Studien, dass Evenity die Zahl der Wirbel- und Hüftbrüche senkt. Es erhöht jedoch das Risiko für schwere Herzkrankheiten. Die Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» rät deshalb von Evenity ab.
«Nutzen-Risiko-Verhältnis schlechter als bei alten Mitteln»
Forsteo wiederum schützt zwar vor Wirbelbrüchen, aber nicht vor den gefürchteten Hüftbrüchen, deren Folgen oft zum Tod führen. Bei Tierversuchen verursachte Forsteo zudem Knochenkrebs.
Der Basler Hausarzt Urspeter Masche sagt, das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Evenity und Forsteo sei «ungünstiger» als bei den bewährten Mitteln aus der Gruppe der Bisphosphonate. Die neue kanadische Leitlinie empfiehlt diese beiden Medikamente deshalb nur in schweren Fällen. Andere Osteoporose-Medikamente wie Prolia sind ebenfalls umstritten.
Die 63-jährige Beatrice Hunziker aus Beromünster LU erhielt vor rund drei Jahren ihre erste Prolia-Spritze. Sie hatte danach Schmerzen im linken Oberschenkel, die sie bis heute spürt. Beatrice Hunziker möchte Prolia lieber absetzen: «Ich fühle mich gesund. Ich hatte nie einen Knochenbruch wegen Osteoporose.» Und sie macht sich Sorgen wegen der möglichen langfristigen Nebenwirkungen.
Die französische Fachzeitschrift «Prescrire» nahm Prolia auf die Liste der Medikamente, die man nicht mehr einsetzen sollte. Prolia schütze nur «mässig» vor Knochenbrüchen, es könne aber starke Nebenwirkungen zur Folge haben. Dazu zählen Schmerzen in Muskeln und Knochen, Infektionen und abgestorbene Kieferknochen.
Die Heilmittelbehörde Swissmedic und die Hirslanden-Klink warnten, beim Absetzen von Prolia könne es zu Wirbelbrüchen kommen. «Prescrire» empfiehlt die bewährten Bisphosphonate wie Fosamax und Evista: Bei ihnen seien Nutzen und Risiken in einem besseren Verhältnis.
Studien zeigen, dass sie Knochenbrüche an Wirbeln, Hüfte und anderen Körperteilen vermindern. Allerdings können auch Bisphosphonate starke Nebenwirkungen haben. Die 77-jährige Maria Ernst aus Kriens LU hatte nach einer Infusion mit Aclasta nachts Schmerzen am ganzen Körper, und ihre Muskeln wurden starr. Sie berichtet: «Ich konnte die Finger an meiner rechten Hand nicht mehr richtig bewegen.»
Hersteller sagen, Nutzen sei höher als Risiken
Der Dachverband Osteologie entgegnet auf die Kritik an seiner neuen Leitlinie, bisher würden zu wenige Betroffene mit Medikamenten behandelt. Mit der neuen Leitlinie könnten Ärzte das Risiko für Knochenbrüche «viel genauer und individueller» bestimmen. Wenn dies dazu führe, dass mehr Frauen Medikamente bekommen, sei es nicht zu viel, sondern angemessen. Die Herstellerfirma Mepha sagt, Kieferschäden seien «sehr selten».
Der Actonel-Hersteller Future Health schreibt, die Europäische Arzneimittelagentur sei zum Schluss gekommen, dass der Nutzen von Bisphosphonaten die Risiken überwiege. Prolia-Hersteller Amgen sagt, die Zulassungsstudie habe belegt, dass Prolia die Knochendichte fördere. Die UCB-Pharma schreibt, die Erfahrungen mit mehr als 700'000 Patientinnen habe gezeigt, dass das Nutzen-Risiko-Profil von Evenity günstig sei.
Eli Lilly räumt ein, Forsteo habe bei Ratten Knochentumore verursacht. Allerdings hätten Studien bei Affen und Menschen kein erhöhtes Krebsrisiko gezeigt.
Gratis-Merkblatt: «Medikamente bei Osteoporose»
Laden Sie das Merkblatt hier herunter.