Roman Vogt, was haben Sie sich an Neujahr vorgenommen?
Ich habe schon oft Vorsätze gefasst, aber nie am Neujahr.
Was haben Sie gegen Neujahrsvorsätze?
Nichts, im Gegenteil. Am Jahreswechsel schauen die Menschen auf das vergangene Jahr zurück und denken: Gopfridstutz, seit dem Sommer habe ich ein paar Kilo zugenommen. Das ist eine gute Gelegenheit, um sein Leben zu verändern. Ich habe mir auch schon vorgenommen, gesünder zu leben. Als ich Hausarzt war, störte es mich, dass ich keinen Sport mehr trieb. Mit Kollegen aus dem Dorf vereinbarte ich, jeden Montagabend Fussball zu spielen. So begann ich, wieder Sport zu treiben. Allerdings nicht an Neujahr, sondern im Frühling.
Wer es an Neujahr verpasst hat, sich etwas vorzunehmen, kann das also auch jetzt noch tun.
Ja, klar. Wenn man sich etwas vornimmt, nur weil zufällig gerade Silvester ist, ist das Scheitern programmiert.
Warum scheitern viele Leute an ihren Vorsätzen?
Weil die Leute sich zu wenig gut überlegen, wie sie ihren Vorsatz umsetzen wollen. Ein Raucher geht am Morgen zuerst auf den Balkon und raucht seine erste Zigarette. Wenn er einen Rauchstopp machen will, muss er sich vorher überlegen: Wie beginne ich meinen Tag ohne Zigarette? Sonst ist die Rückfallgefahr gross.
Wie kann man sich vor einem Rückfall schützen?
Man muss eine Ersatzhandlung suchen: Anstelle einer Zigarette kann man einen Knautschball oder Zahnstocher in die Hand nehmen. Wichtig ist auch, dass man sich eine Belohnung gönnt. Denn wenn man ein Laster wie das Rauchen aufgeben will, ist das eine Leistung, die honoriert werden sollte.
Wie kann man sich belohnen?
Man kann Musik hören, im Garten arbeiten, einen Comic anschauen. Man sollte sich etwas zuliebe tun. Ein neues Verhalten gelingt viel eher, wenn es Spass macht. Wenn es nur mit Verzicht verbunden ist, ist die Gefahr viel grösser, dass es nicht funktioniert. Es ist zudem einfacher, etwas Neues umzusetzen, wenn man nicht allein ist.
Warum lassen sich Vorsätze in einer Gruppe einfacher umsetzen?
Man stützt sich gegenseitig und schafft so eine Verbindlichkeit. Ich habe das mehrmals erlebt. Eine Gruppe von Kollegen des Psychiatrischen Dienstes, den ich leitete, hörte gemeinsam auf, zu rauchen. Wenn einer rückfallgefährdet war, holte er sich Hilfe bei einem Kollegen. Sie hielten es immerhin längere Zeit durch.
Zur Person: Roman Vogt
Statt sich pensionieren zu lassen, eröffnete der 69-jährige Roman Vogt vor vier Jahren eine Psychiatrie-Praxis in Baden. Vorher war er Hausarzt, und ab 1996 arbeitete er 14 Jahre lang in leitender Stellung bei den Psychiatrischen Diensten Aargau. Roman Vogt ist verheiratet, hat vier erwachsene Kinder und vier Enkelkinder.