Was macht man in einer Berghütte mit schwierigen Gästen?
Auf 2640 Meter über Meer kann ich schlecht einen Gast vor die Tür stellen. Darum muss ich als Hüttenwartin dafür sorgen, dass meine Gäste schlafen können. Werden sie von anderen dabei gestört, stehe ich freundlich, aber unmissverständlich auf der Matte. Das ist mein Job.
Was ist für Sie ein guter Gast?
Er muss mit der Einfachheit klarkommen. Die Hütte hat keine Duschen, nur einen Brunnen mit Bergwasser. Handyempfang gibt es nicht, und die Toiletten befinden sich ausserhalb der Haupthütte. Es war dieser urchige Charme, der mich vor fünf Jahren Hüttenwartin werden liess. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Hütte bringt mich immer wieder an meine Grenzen.
Wann zum Beispiel?
Wenn Gäste wegen schlechten Wetters absagen – was bei einer Hütte auf dieser Höhe immer wieder der Fall ist. Dann sitze ich mit Personal und Waren ohne Gäste da. Das macht mich manchmal nervös.
Was machen Sie, wenn Sie der Hüttenkoller packt?
Dann wandere ich auf meinen Lieblingsgipfel oder gehe auf einen Schwatz zum Schafhirten unterhalb der Hütte. Hauptsache, rasch den Kopf durchlüften.
In welchen Momenten überkommt Sie der Koller?
Das kann nach mehreren Wochen mit sehr schlechtem Wetter und wenig Gästen vorkommen – aber auch nach zwei Wochen Hochbetrieb. Ist das Haus ausgebucht, bin ich voll eingespannt und maximal fremdbestimmt. Der Arbeitstag hat dann 12 oder auch 18 Stunden. Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar wurde: Ich muss mir auch in Stressphasen kurze Auszeiten nehmen. Sonst schaffe ich es nicht.
Worauf legen Sie als Hüttenwartin mehr Wert – auf einen sauberen Schlafsaal oder auf eine gute Küche?
Beides ist wichtig. Nach all den Jahren weiss ich aber, dass eine nicht perfekt zusammengelegte Wolldecke kein Drama ist, eine lieblose Küche aber schon. Was mein Team und ich kochen, beeinflusst die körperliche und die geistige Verfassung meiner Gäste.
Warum ist das Essen in einer Berghütte so wichtig?
Weil Alpinisten eine zehnstündige Tour nur meistern, wenn sie gesund und gut gegessen haben. Ohne Kohlenhydrate geht es nicht. Wir verzichten meist auf Fertigprodukte und haben immer viel frisches Gemüse. Stammgäste und Freunde haben mir dafür schon Lauch oder Salat zur Hütte gebracht.
Sie führen die Hütte allein – andernorts sind Paare im Einsatz. Was ist besser?
Das ist schwierig zu sagen. Was ich von Hüttenpaaren weiss: Kriselt es, hockt man eng beeinander und blockiert sich gegenseitig. Mir wurde auch schon gesagt: Du hast es viel besser, niemand redet dir drein oder macht dir Stress. Das stimmt schon. Aber es ist manchmal anstrengend, immer alles allein zu entscheiden.
Findet man mit so einem Job eigentlich Zeit für eine Beziehung und Freunde?
Es ist schwierig, als Hüttenwartin eine Beziehung zu führen. Das gilt auch für Freundschaften. Spontane Treffen sind nicht möglich. Umso wichtiger sind regelmässige E-Mails und Telefonate. Dafür nehme ich mir bewusst Zeit. Ich will wissen, wie es meinen Freunden im Tal geht.
Irene Aeberhard
Die gelernte Pflegefachfrau führt seit fünf Jahren die Oberaletschhütte in den Berner Alpen, auf 2640 Meter über Meer. In der Zwischensaison arbeitet sie in ihrem angestammten Beruf. Sie lebt in Wilderswil BE.