Zolgensma ist ein Medikament für Babys mit einem schweren Gendefekt, der Spinalen Muskelatrophie. Dabei sterben Nerven ab, welche die Muskeln kontrollieren. Die Kinder können nicht krabbeln, haben Mühe beim Atmen, im schlimmsten Fall sterben sie. Eltern betroffener Kinder setzten deshalb grosse Hoffnung in das Novartis-Medikament.
Dabei handelt es sich um eine Gentherapie: Sie soll das fehlerhafte Gen durch eine neue, funktionierende Kopie ersetzen (Gesundheitstipp 11/2021). Eine einzige Infusion reicht angeblich für das ganze Leben aus. In Deutschland kostet eine Infusion horrende 2,3 Millionen Franken. In der Schweiz dürfte der Preis ähnlich hoch sein – doch weder Novartis noch das Bundes- amt für Gesundheit wollen ihn offenlegen.
Novartis hat zu wenige Belege für den Nutzen
Jetzt steht ein deutsches Expertengremium auf die Bremse. Grund: Die Kosten für Zolgensma sind in Deutschland explodiert, innerhalb von sechs Monaten stiegen sie insgesamt auf umgerechnet 50 Millionen Franken. Die Experten verlangten deshalb Belege, dass Zolgensma besser wirkt als das bewährte Medikament Spinraza. Sie stützten sich auf ein deutsches Gesetz, das besagt: Wenn ein neues Mittel nicht besser wirkt als bisherige Therapien, darf es auch nicht mehr kosten als diese.
Diese Belege lieferte Hersteller Novartis bisher nicht. Denn es gibt keine Studie, welche die beiden Mittel direkt miteinander vergleicht. Stattdessen legte Novartis den Experten Daten aus unterschiedlichen Studien vor: Die einen untersuchten Zolgensma, die anderen Spinraza. Der Kinderarzt Wolfgang Rascher von der Kinder- und Jugendklinik Erlangen (D) bestätigt: «Novartis hat keine geeigneten Daten aus klinischen Studien vorgelegt.» Das bedeutet: Novartis darf in Zukunft nicht mehr so viel für Zolgensma verlangen wie bisher. Was das konkret heisst, ist noch unklar.
Anders als in Deutschland fehlen in der Schweiz die gesetzlichen Grundlagen, um Preise von Medikamenten zu kontrollieren. Das sei «ein unhaltbarer Zustand», kritisiert der Basler Gesundheitsökonom Stefan Felder. Die Kosten für Zolgensma übernimmt in der Schweiz die Invalidenversicherung. Obwohl es um öffentliche Gelder geht, verhandelt das Bundesamt für Sozialversicherungen mit Novartis im Geheimen.
Novartis schreibt dem Gesundheitstipp, der Nutzen von Zolgensma sei klar belegt. Gentherapien könnten das Gesundheitssystem finanziell entlasten, weil man sie nur ein einziges Mal anwenden müsse.