Seit rund zehn Jahren bemühe ich mich um eine feste Arbeit. Doch ich erhalte nur Absagen. Nach meiner Lehre als Textilfachfrau in einer chemischen Reinigung hatte ich keine Chance, in dieser Branche eine Stelle zu finden. Dann arbeitete ich fünf Jahre in der Wäscherei eines Behindertenheims. Ich verstand mich sehr gut mit den Bewohnern, doch die Vorgesetzten mobbten mich und kündigten mir. Seither habe ich mich in verschiedenen Spitälern und Heimen für die Wäscherei, den Haus- oder Küchendienst beworben. Doch niemand wollte mich anstellen. Es hat immer geheissen, ich passe nicht ins Team.
Dabei will ich ja arbeiten. Putzen ist mir aber zu streng, weil mein Rücken kaputt ist und schmerzt. Trotzdem putze ich ab und zu für einen privaten Arbeitgeber. Manchmal helfe ich auch in der Küche eines gemeinnützigen Vereins in meinem Wohnort. So kann ich mir immer mal wieder ein Mittagessen verdienen.
Ich war ein uneheliches Kind. Bis ich sieben Jahre alt war, lebte ich im Kinderheim. Als meine Mutter heiratete, holte sie mich dann zu sich. Dort musste ich sehr viel putzen. Noch schlimmer war, dass mein Stiefvater und mein Grossvater mich missbrauchten. Diese schreckliche Zeit konnte ich nie richtig verarbeiten. Von Männern wollte ich deshalb nie etwas wissen, bis heute. Wahrscheinlich hätte ich eine Therapie gebraucht, konnte mir diese aber nicht leisten. Früher hatte ich noch schlechte Träume. Wenigstens das ist jetzt besser geworden.
Mit 17 setzte mich meine Mutter vor die Tür. Bis ich 32 war, hatte ich nur Gelegenheitsjobs und lebte teilweise auf der Gasse. Wegen der schlechten Lebensbedingungen wurde ich depressiv und musste für eine Weile Psychopharmaka schlucken. Nun bin ich von Staatsgeldern abhängig und fühle mich ständig unter Druck. Ich lebe von 2500 Franken im Monat. Davon muss ich noch die Krankenkasse und die Wohnungsmiete bezahlen.
Es gibt immer wieder Leute, die glauben, ich wolle nicht arbeiten. Bemerkungen wie: «Von nichts kommt nichts», oder: «Du bekommst ja Geld ohne zu arbeiten», treffen mich. Deshalb ziehe ich mich lieber zurück. Heute habe ich es aufgegeben, Bewerbungen zu schreiben. Es hat ja doch keinen Sinn. Mit meiner Situation habe ich mich abgefunden, Hoffnung habe ich keine mehr.
Ich bin froh, wenn die Feiertage vorüber sind. In dieser Zeit fühle ich mich besonders einsam, da ich keine Familie habe. Unter fremde Leute mag ich nicht gehen. Aus Mitleid will ich nicht eingeladen werden. Ich merke ja dann doch, dass ich nicht dazugehöre. Dann verzichte ich lieber. Ein Trost ist mein Hobby: Im Herbst beginne ich Weihnachtskarten zu basteln, die ich manchmal an Bekannte verkaufen kann. Das macht mir Freude und gibt mir einen kleinen Zuschuss.
Leben in Armut
Armut ist mehr als eine finanzielle Notlage, sagt Caritas Schweiz. Es könne bedeuten, lange eine Arbeit zu suchen, keine zu finden und ausgesteuert zu werden. Oder: Trotz Schmerzen nicht zum Arzt zu gehen, um Kosten zu sparen, oder keine Ausbildung und keine Perspektive zu haben. Laut der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe liegt die Armutsgrenze für eine Einzelperson bei 2500 Franken/Monat.
Gratis-Merkblatt: «Hilfswerke und Stiftungen für Kranke»
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Gesundheitstipp,
«Hilfswerke»,
Postfach 277,
8024 Zürich.