René Huber aus Effretikon ZH ist ein begeisterter Läufer. Alleine letztes Jahr rannte er insgesamt knapp 2000 Kilometer. Er war noch nie verletzt. Dabei blickt der 54-Jährige auf viele Sportanlässe zurück: 20 Mal lief er die 100 Kilometer von Biel und absolvierte 110 Marathons und Ultramarathons. Er verbraucht mehrere Paar Laufschuhe im Jahr – ein idealer Kandidat für die Laufschuhindustrie. Denn sie bringt immer wieder neu entwickelte Modelle auf den Markt, die das Laufen komfortabler und leichter machen, Tempo bringen oder die Gelenke schonen sollen.
Der neueste Trend: Schuhe, die Energie an den Läufer zurückgeben sollen, sogenannte Energy-Return-Schuhe. Dazu gehören Modelle wie der «Ultraboost» von Adidas oder das Modell «Zoom Pegasus 35» von Nike. Die Sohlen bestehen aus zahlreichen Gummikügelchen, die nach dem Zusammendrücken ganz schnell wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren und so Energie freisetzen.
Energy-Return-Modelle: Nichts für Hobbysportler
Doch für Hobbysportler sind diese Schuhe wenig geeignet. Dieser Ansicht ist zum Beispiel Gert-Peter Brüggemann, Professor an der Sporthochschule in Köln (D). Er arbeitete lange in der Entwicklung von Laufschuhen und sagt: «Diese Schuhe sind nicht auf die Bedürfnisse eines Hobbyläufers ausgelegt.» Energy-Return-Schuhe würden ihre Vorteile oft erst bei schnellem Tempo ausspielen und seien nur für wenige Läufer gedacht. Beim lockeren Laufen am Feierabend seien andere Qualitäten gefragt, zum Beispiel das Abrollverhalten und der Komfort.
Doch auch andere Schuhtypen eignen sich nur begrenzt für mässig trainierte Hobbysportler, schon gar nicht für Einsteiger. Das zeigt ein Vergleich des Gesundheitstipp (siehe Tabelle im PDF).
Für Einsteiger wie Fortgeschrittene sind Neutralschuhe oft am besten. Da sind sich Sportwissenschafter Brüggemann, Gesundheitstipp-Arzt und Läufer Thomas Walser sowie Marathonmann Huber einig. Dazu gehören Schuhe wie «One One Mach» von Hoka oder «Wave Inspire 15» von Mizuno
«Mit Neutralschuhen läuft man komfortabler»
Neutral heisst in diesem Zusammenhang: Der Schuh stützt den Fuss nicht. In diesen Schuhen bewegt sich der Fuss auf natürliche Weise: Beim Landen wird er länger, aber auch breiter, weil diese Bewegung die feinen Fussknochen auseinanderdrückt. Zum Abstossen zieht sich der Fuss wieder zusammen. Brüggemann empfiehlt Hobbyläufern Neutralschuhe mit eher weichen Sohlen: «Damit läuft man komfortabler.» Allerdings darf der Schuh nicht zu weich sein. Das ist der Fall, wenn er sich beim Anprobieren wacklig anfühlt. Sportwissenschafter Brüggemann: «Dann müssen die Fuss- und Beinmuskeln viel arbeiten, um das Sprunggelenk zu stabilisieren.»
Das haben Forscher der finnischen Universität Helsinki kürzlich in einer Studie nachgewiesen, die im Fachblatt «Nature» erschienen ist. Sie liessen zwölf Wettkampfläufer abwechslungsweise in stark gedämpften Schuhen und in solchen mit härteren Sohlen rennen. Ergebnis: Die Belastung für die Gelenke war bei den stark gedämpften Schuhen höher. Denn die Sportler mit den weichen Polstern landeten mit steiferen, angespannten Beinen. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser: «Bei zu weichen Sohlen kippt die Achillessehne zudem immer ein wenig hin und her.» Das führt zu kleinen Verletzungen im Gewebe und kann in einer Entzündung der Achillessehne enden.
Stabilschuhe: Nur bei starkem Abknicken nötig
Die meisten Menschen sind Fersenläufer, das heisst, bei jedem Schritt landen sie auf der Ferse. Sie knicken bei der Landung häufig mit dem Fussgelenk ein wenig nach innen oder aussen. Deshalb empfehlen ihnen Sportverkäufer oft einen Stabilschuh. Dazu gehören Modelle wie der «Ravenna 9» von Brooks oder der «Faas 1000» von Puma. Solche Schuhe haben ein Fussbett mit eingearbeiteten Stützen, die den Fuss führen sollen. Das sei aber oft unnötig, sagt Brüggemann. Nur bei schwerem Abknicken brauche es einen speziellen Schuh. Für Thomas Walser ist klar: «Dieses Konzept ist überholt.» Für ihn ist wichtig, dass sich der Fuss beim Laufen frei bewegen kann. Der Arzt empfiehlt deshalb, vermehrt mit Barfussschuhen zu laufen. Sie sorgen für kräftigere Fussmuskeln. Allerdings ermüden die Füsse darin schneller. Ein- und Umsteiger sollten am Anfang nur kurz damit trainieren. Sonst drohen Verletzungen an Füssen, Gelenken und am Rücken.
Leichtgewichtige Trainings- oder Wettkampfschuhe eignen sich nicht für die gelegentliche Joggingrunde am Wochenende. Sie sind dafür gemacht, die Kraft schneller Läufer optimal auf die Strasse zu übertragen. Hobbyläufer können die Vorteile nicht nutzen, die ein Wettkampfschuh bietet. Denn er ist leicht gebaut ist und weist deshalb kaum Stabilität und wenig Komfort auf. Wer nicht über starke Sehnen, Bänder und Muskeln verfügt, kann sich in Wettkampfschuhen verletzen. Solche Modelle sind für erfahrene Läufer wie René Huber. An seine Füsse lässt er nur leichte Laufschuhe mit fast flachen Sohlen. Den Rest erledigt sein durchtrainierter Bewegungsapparat.
Die Firma Adidas schreibt, sie habe den ersten Schuh mit Energy- Return-Funktion auf den Markt gebracht und biete heute Sohlen mit mehr oder weniger starkem Boost-Effekt an. Dadurch seien Energy Return-Schuhe «für jeden Läufer geeignet».
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