Der schwarze Hautkrebs gilt als gefährlich: Jedes Jahr erkranken in der Schweiz rund 2800 Menschen daran. Viele Hautärzte werben deshalb massiv für regelmässige Kontrollen der Haut auf Melanome. So schreibt das Skincenter Bern, mit Hilfe der Hautuntersuche lasse sich das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken, «um ein Vielfaches mindern». Die Dermatologie am Hauptbahnhof Zürich wirbt, es bestehe eine «sehr gute Heilungschance», wenn man den Hautkrebs frühzeitig erkenne. Auch die Klinik Skinmed in Aarau empfiehlt, seine Haut alle zwei Jahre einem Arzt zu zeigen.
Studien lassen am Nutzen der Tests zweifeln
Die Ärzte untersuchen dabei in der Regel die Muttermale am ganzen Körper mit einer Lupe. Doch diese Hautkontrollen für alle sind umstritten. Reinhard Dummer, stellvertretender Direktor an der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich, findet sie «nicht effizient» (siehe Interview). Viele Melanome, die zum Tod führten, würden schnell wachsen. «Die verpassen Ärzte häufig, auch wenn sie jedes Jahr den Körper der Patienten absuchen.»
Das Zürcher Ärztenetzwerk Medix schreibt, bis heute lasse sich «keine evidenzbasierte Empfehlung» abgeben, ob die Hautuntersuchungen einen Nutzen haben. Medix-Hautarzt Stefan Teske sagt: «Es braucht mehr und bessere Studien, um den Nutzen von regelmässigen Muttermalkontrollen bei Gesunden zu untermauern.» Selbst die Krebsliga rät von Vorsorgetests für alle ab.
Eine deutsche Pilotstudie zeigte bereits im Jahr 2004, dass der Vorsorgeuntersuch für alle die Todesfälle nicht verhindern kann. 360000 Einwohner aus dem Bundesland Schleswig-Holstein liessen sich während zwei Jahren regelmässig vom Arzt auf schwarzen Hautkrebs untersuchen. Zu Beginn der Studie – von 2003 bis 2008 – ging die Anzahl Todesfälle wegen schwarzem Hautkrebs zwar um etwa die Hälfte zurück. Darauf führten die Behörden bundesweite, regelmässige Massentests ein. Doch von 2009 bis 2013 waren die Zahlen wieder wie vorher.
2016 stützten US-amerikanische Wissenschafter diese Ergebnisse. Die Forscher durchsuchten Datenbanken nach Studien, die den Nutzen von Massentests belegen würden. Das Fazit der Forscher: Die Beweislage sei schwach. Ihre Ergebnisse wurden im «Journal of the American Medical Association» publiziert.
Hinzu kommt: Regelmässige Vorsorgetests können ins Geld gehen. Eine 20-minütige Untersuchung beim Hautarzt kostet rund 150 Franken, die der Patient in der Regel selber zahlen muss.
«Selber auf Veränderung der Haut achten»
Hautarzt Reinhard Dummer rät Personen ohne erhöhtes Risiko, sich einmal beim Hautarzt beraten zu lassen und dann die Haut selber zu untersuchen Ähnlich lautet die Empfehlung der Krebsliga (siehe Kasten). Sprecherin Stefanie de Borba sagt: «Grundsätzlich raten wir jedem, selber auf Hautveränderungen zu achten und gegebenenfalls einen Arzt aufzusuchen.»
Eine jährliche Kontrolle beim Hautarzt sollte nur machen, wer ein erhöhtes Risiko für schwarzen Hautkrebs hat. Dazu zählen Leute, die viel im Freien arbeiten, sehr helle Haut, viele Muttermale und Sommersprossen haben. Aber auch Personen mit erhöhtem Risiko sollten sich zusätzlich selber untersuchen.
Das Skincenter Bern, die Dermatologie am Hauptbahnhof Zürich und die Klinik Skinmed in Aarau nahmen nicht Stellung.
So erkennen Sie Hautkrebs
Die Krebsliga empfiehlt, dass man sich regelmässig am ganzen Körper selbst untersucht oder vom Partner untersuchen lässt. Ein Melanom kann an jeder Hautstelle auftreten, auch im Genitalbereich oder unter Fuss- und Fingernägeln.
Auffällige Muttermale sind asymmetrisch, unklar begrenzt, oft verschiedenfarbig und verändern sich rasch in Breite, Farbe oder Dicke. Bei Männern entwickeln sich Melanome bevorzugt am Rücken, bei Frauen an den Unterschenkeln.
Melden Sie sich bei einem Hautarzt, wenn sich ein Muttermal von den anderen in Form und Farbe deutlich unterscheidet oder sich verändert.
Buchtipp
Informationen zu Hautkrebs und wie man sich davor schützt finden Sie im Gesundheitstipp-Ratgeber Gesunde Haut – von Kopf bis Fuss. Bestellen Sie das Buch auf Seite 34 oder auf www.gesundheitstipp.ch.
«Sonnenschutz ist das Wichtigste»
Hautarzt Reinhard Dummer vom Universitätsspital Zürich sagt, wie man sich vor Hautkrebs schützen kann.
Hautärzte machen seit Jahren auf Panik: Alle sollten regelmässig beim Arzt die Haut untersuchen lassen. Doch jetzt zeigt sich: Die Panikmache war vergeblich.
Falls bei den Leuten der Eindruck entstanden ist, die Hautärzte würden Panik verbreiten, haben wir etwas falsch gemacht.
Studien zeigen: Regelmässige Untersuche beim Arzt können Todesfälle durch Hautkrebs nicht reduzieren. Was läuft schief?
Es ist sehr schwierig, den Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen zu beweisen. Bis heute fehlen grosse Untersuchungen mit Tausenden von Patienten. Schnell wachsende Melanome können auch bei Leuten auftreten, die sich regelmässig beim Arzt untersuchen lassen.
Man weiss inzwischen auch, dass die Ärzte viele gefährliche Melanome verpassen.
Nobody is perfect. Oft schätzen Betroffene gefährliche Melanome falsch ein und gehen aus diesem Grund zu spät zum Arzt. Melanome können zudem an schwierigen Stellen entstehen. Wer schaut schon regelmässig auf die Fusssohle, hinter die Ohren oder auf die Rückseite des Oberarms?
Was empfehlen Sie den Leuten zur Vorsorge?
Sie sollten Selbstverantwortung übernehmen. Jeder sollte seine eigene Haut mit allen Muttermalen und Hautveränderungen kennen. Auffällige Muttermale kann man fotografieren und im Zweifelsfall einem Hautarzt zeigen. Alle Hautveränderungen, die im Laufe eines Jahres gleich bleiben, sind sicher gutartig. Neue, rötliche oder schwarze Knoten oder blutende Muttermale sollte man unbedingt einem Arzt zeigen.
Was kann man sonst noch tun?
Sonnenschutz ist das A und O – auch bei Kindern. Dazu gehören: ein Hut, eine Sonnenbrille und lockere, lichtschutzgeprüfte Kleider. Auf ungeschützte Haut gehört Sonnencreme mit einem Lichtschutzfaktor von mindestens 30. Zudem sollte man die Mittagssonne vermeiden.