Am meisten macht mir zu schaffen, dass ich nicht mehr unabhängig bin. Seit der Hirnblutung muss meine Frau alle administrativen Arbeiten alleine erledigen. Wie ein Kind muss ich wieder lernen zu lesen und zu schreiben. Eine Fachfrau unterstützt mich dabei. Angefangen habe ich mit Kinderbüchern. Jetzt kann ich immerhin die Zeitung «20 Minuten» und Nachrichten auf Facebook lesen. Es geht aufwärts, Angst vor einem Rückschlag habe ich nicht.
Es geschah vor zwei Jahren. Meine Familie und ich kamen von einem Konzert nach Hause, als ich plötzlich starke Kopfschmerzen bekam. Ich ging ins Bett und dachte, der Schmerz werde nachlassen. Doch er wurde schlimmer, bis ich mich schliesslich übergeben musste. Dann merkte ich, wie ich keine Kraft mehr hatte, zuerst im rechten Bein und dann im Arm. Meine Frau alarmierte sofort die Ambulanz, das war ein Glück.
Im Spital untersuchten mich die Ärzte und fanden heraus, dass ich eine Hirnblutung hatte. Sie operierten mich sofort und entfernten das Blutgerinnsel im Gehirn.
Nach zwei Wochen kam ich in die Rehaklinik Zihlschlacht – im Rollstuhl. Ich konnte keine Silbe mehr reden und war halbseitig gelähmt. Ich machte Krankengymnastik und Therapien. Doch nach wenigen Tagen kam der Rückschlag. Aus meiner Kopfhaut floss Wundwasser. Ich musste zurück ins Spital. Ein Arzt stellte eine Infektion fest. Ich bekam eine Antibiotikatherapie. Dann ersetzten Ärzte in einer Operation ein Stück des Schädelknochens mit künstlichem Material.
Ich kam wieder zurück in die Reha. Der erste Erfolg stellte sich zum Glück schnell ein. Als ich meine Hand wieder bewegen konnte, war ich überglücklich. Das macht mich zuversichtlich, dass ich wieder gesund werde. Nach vier Monaten konnte ich die Rehaklinik verlassen – ohne Rollstuhl.
Heute bin ich wieder recht fit. Mein Kopf arbeitet noch etwas langsamer und am Morgen habe ich leichte Gleichgewichtsstörungen. Meinen Beruf als Chauffeur kann ich allerdings nicht mehr ausüben. Wegen der Hirnblutung ist mein Blickwinkel eingeschränkt. Ich kann aber zwei Tage pro Woche in der Werkstatt meines Chefs arbeiten. Er hat sich sehr für mich eingesetzt. Schon beim ersten Besuch im Spital sagte er: «Du warst zehn Jahre für mich da. Jetzt bin ich für dich da.» Er verhandelte mit der IV und half mir, finanzielle Probleme zu regeln.
Bereits vor 20 Jahren hatte ich eine Hirnblutung. Sie verlief aber viel harmloser. Ich brauchte keine Therapien. Der Arzt verordnete mir allerdings fünf Wochen Ruhepause. Zu jener Zeit arbeitete ich noch auf dem Bauernhof meines Vaters.
Für meine Frau war die Umstellung nicht leicht. Weil ich oft zu Hause bin, ist ihr Tagesablauf durcheinandergeraten. Seit der Krankheit bin ich auch etwas dünnhäutiger und reagiere oft gereizt. Dies führt manchmal zu Spannungen.
Dafür freut es mich, dass ich mehr Zeit mit unseren Zwillingen verbringen kann. Sie sind fünfeinhalb. Besonders gerne pflege ich mit ihnen den Garten. Überhaupt bin ich am liebsten in der Natur. Einmal in der Woche jogge ich. Jeden Tag bin ich zudem mit dem Velo unterwegs. Da fühle ich mich frei.
Bei einer Hirnblutung zählt jede Minute
Bei der Hirnblutung platzt ein Gefäss im Gehirn. Dies kann zu irreversiblen Schäden oder gar zum Tod führen. Deshalb zählt jede Minute, bis Patienten zu einer guten Behandlung kommen.
Im Bergkanton Graubünden, im Bernbiet und in der Innerschweiz sterben am meisten Menschen an einem Schlaganfall: Das zeigen Zahlen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums.
Ärzte versuchen, die Blutung zu stoppen und das umliegende Hirngewebe zu entlasten. Oft ist eine Operation nötig.
Hilfe und Infos: Notruf-Tel. 144, Fragile Suisse: Tel. 044 360 30 60