Es begann schon in jungen Jahren: Die grossen Zehen von Uschi Joos neigten sich in Richtung der kleinen, das Gelenk stand spitz heraus. «Der Hallux liegt bei uns in der Familie», sagt die 69-Jährige aus Ebmatingen ZH. Beide Eltern litten daran. Stöckelschuhe habe sie nie getragen. Trotzdem bekam Uschi Joos immer stärkere Beschwerden. Die Füsse schmerzten oft.
Deshalb entschloss sie sich schliesslich zu einer Operation. Allerdings musste sie zwei Mal unters Messer. Zuerst liess sie nur einen Fuss operieren. Doch bald waren die Schmerzen wieder da. Zudem begannen sich die mittleren Zehen zu Hammerzehen zu krümmen. Beim zweiten Eingriff liess sie dann beide Füsse gleichzeitig operieren. Heute ist Joos zwar wieder gut zu Fuss und hat keine Schmerzen. Doch sie sagt: «Die Füsse fühlen sich nach der Operation nicht mehr gleich an.» Sie hat eine Platte im Fuss und die grosse Zehe ist versteift.
Nur operieren, wenn der Leidensdruck gross ist
In Schweizer Spitälern operieren Ärzte pro Jahr rund 6500 Hallux-Zehen – davon rund 1000 bei unter 40-Jährigen. Doch Fachleute raten zur Zurückhaltung. Allein aus ästhetischen Gründen sollte man sich nicht unters Messer legen. Fussspezialistin Anette Lanz von der Schulthess-Klinik in Zürich empfiehlt die Operation erst dann, wenn der Leidensdruck gross ist. Zum Beispiel bei starken Schmerzen, offenen Stellen und Entzündungen – oder wenn man keine Schuhe findet, die passen.
Es gibt Hinweise, dass eine frühe Operation das Risiko für Arthrose in der grossen Zehe vermindern kann. Trotzdem rät auch Fussspezialist Stephan Wirth von der Zürcher Universitätsklinik Balgrist von einer Operation ab, solange noch keine Beschwerden bestehen.
«Ein anspruchsvoller Eingriff»
Die Operation des Hallux birgt Risiken. Bei etwa zwei bis fünf von 100 Patienten kommt es zu Problemen, etwa beim Heilen der Wunde oder des Knochens. Zudem können sich die Schrauben lockern oder die Grosszehe wird wieder krumm. Einige Studien zeigten, dass bis zu einem Drittel der Patienten mit dem Ergebnis nicht zufrieden war. Die Zürcher Ärztin Elisabeth Wanner sagt: «Es ist ein anspruchsvoller Eingriff, den nur spezialisierte Chirurgen mit viel Erfahrung machen sollten.»
Oft genügen sanftere Massnahmen, um die Beschwerden am Fuss zu lindern. Dazu gehören in erster Linie bequeme Schuhe (siehe Tabelle im PDF). Sie sollten den Zehen in der Höhe und Breite viel Platz lassen. Anette Lanz empfiehlt Schuhe aus weichem Obermaterial mit einer festen Sohle. Einen Schutz vor Hallux bieten solche Schuhe allerdings nicht. Denn die krummen Zehen stammen nicht von engen und hohen Stöckelschuhen. Ärztin Anette Lanz: «Ein Hallux ist in erster Linie vererbt.» Dabei spielen unter anderem schwaches Bindegewebe und schwache Bänder eine Rolle. Hohe Schuhe können die Beschwerden aber verschlimmern.
Einlagen durch Fachmann anpassen lassen
Einlagen helfen ebenfalls. Sie stabilisieren das eingesunkene Gewölbe des Fusses. Ärztin Elisabeth Wanner schränkt ein: «Das gilt nur für Einlagen, die der Orthopädie-Techniker sorgfältig angepasst hat.» Vorgefertigte Hallux-Einlagen würden nicht funktionieren. Auch Bandagen und Schienen, welche die Grosszehe gerade halten, sind einen Versuch wert. Modelle aus elastischem Stoff sind im Schuh am bequemsten zu tragen. Ähnlich wirken Kinesio-Tapes – selbstklebende Bänder, mit denen man die Zehen fixiert. Wie man sie bei Hallux richtig aufklebt, zeigt das Gesundheitstipp-Merkblatt «Mit Kinesio-Tapes gegen Schmerzen» (siehe Hinweis).
Für all diese Therapien gilt: Das Fortschreiten des Hallux lässt sich damit nicht aufhalten. Anders ist es bei der Gymnastik. Fussspezialist Stephan Wirth rät: «Wer erblich vorbelastet ist, sollte schon früh anfangen, die Fussmuskeln zu trainieren.» Am besten noch, bevor sich der Hallux deutlich zeigt.
Eine spezielle Form der Fussgymnastik bietet die Spiraldynamik. Physiotherapeutin Maya Velvart aus Gattikon ZH hat damit bei ihren Patientinnen gute Erfahrungen gemacht: «Die Zehen werden wieder beweglicher und die Muskeln im Fuss kräftiger.» Bei der Spiraldynamik werde der ganze Körper einbezogen: zum Beispiel auch Fehlstellungen der Hüften oder Knie, die sich auf den Fuss auswirken können. Um Erfolg zu haben, muss man aber mindestens ein Jahr lang jeden Tag ein paar Minuten trainieren, am besten mehrmals pro Tag. Das braucht viel Ausdauer, lohnt sich aber.
Gratis-Merkblätter:
• «Zehn Übungen für gesunde Füsse»: Bei Hallux besonders geeignet sind die Übungen 1, 4, 6, 7 und 8
• «Mit Kinesio-Tapes gegen Schmerzen» Zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen gegen ein frankiertes und adressiertes C5-Antwortcouvert bei: Gesundheitstipp, «Fusstraining», bzw. «Kinesio-Tapes», Postfach 277, 8024 Zürich