Mit günstigen Angeboten wirbt die neue Klinik-Kette Hair & Skin für Behandlungen: Ab 2900 Franken verpflanzt das Personal Kopfhaare von Frauen und Männern. Andere Kliniken verlangen mehr. Bei den Pallas-Kliniken kostet die Haartransplantation ab 4500 Franken, bei der Zürcher Gentlemen’s Clinic ab 5600 Franken. Promis wie Fussballnationalspieler Xherdan Shaqiri oder Bachelor Clive Bucher heizen das Geschäft an: Sie machten beide Schlagzeilen, weil sie sich Haare transplantieren liessen. Bei dieser Methode entnimmt das Klinikpersonal den Patienten am Hinterkopf kleine Büschel mit einem bis drei Haaren und setzt sie auf kahlen Stellen ein.
Eingriff nicht so einfach, wie Kliniken behaupten
Was die Kliniken verschweigen: Die Resultate sind oft ungenügend. Hautarzt Peter Gutzwiller aus Opfikon ZH sagt: «Man sieht teilweise furchtbare Pfuscharbeiten mit Narben, unregelmässigem Haarwuchs oder kahlen Zonen.»
Auch Andreas Krämer, Leiter der Beratungsstelle Hair for Life in Kreuzlingen TG, sagt: «Bei uns melden sich regelmässig unzufriedenen Patienten.» Das Verpflanzen von Haaren sei nicht so einfach, wie das Kliniken darstellen, so Krämer. Ein Arzt brauche viel Zeit, bis er die Technik beherrsche. Dazu kommt: Oft verpflanzen nicht Ärzte die Haare, sondern Assistentinnen ohne medizinische Ausbildung («Saldo» 4/2019).
Zudem kann die Operation nicht verhindern, dass der Haarausfall weitergeht. Deshalb sagt der Zürcher Hautarzt Pierre de Viragh: «Man darf Haare nur bei Patienten transplantieren, bei denen der Haarausfall seit einigen Jahren nicht mehr weitergeht.» Wenn dies nicht zutrifft, müssen die Patienten lebenslang Medikamente mit dem Wirkstoff Finasterid schlucken oder Lösungen mit Minoxidil auf die Kopfhaut auftragen. Sonst entstehen Lücken im Haar neben der transplantierten Stelle.
Solche Medikamente sind nicht harmlos: Propecia verursacht Nebenwirkungen wie Potenzprobleme und Depressionen (Gesundheitstipp 4/2021). Eine Studie in der US-amerikanischen Fachzeitschrift «Dermatologic Surgery» bestätigt: Ohne Medikamente haben die Patienten ein Jahr nach der Transplantation rund 13 Haare pro Quadratzentimeter weniger.
Eigenblutspritzen sollen Haarwachstum anregen
Hair & Skin und andere Kliniken bieten auch eine neue Technik gegen Haarausfall an: Eigenblutspritzen. Zuerst zapft der Arzt den Patienten Blut ab. In einer speziellen Maschine extrahiert er das Blutplasma und spritzt es den Patienten schliesslich in die Kopfhaut. Dort soll es das Wachstum der Haare anregen.
Fachleute sind skeptisch. Der Hautarzt Günther Hofbauer aus Wetzikon ZH bietet die Methode nicht an. Der Nutzen sei noch nicht belegt. Eine Übersichtsstudie der Universität Turku (Finnland) kam vor drei Jahren zum Schluss, es gebe keine Beweise dafür, dass Eigenblutspritzen helfen würden.
Eine weitere umstrittene Methode ist die Mesotherapie. Das Personal von Kliniken wie Hairthetic oder Hairbooster spritzt den Patienten eine Mischung aus Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Substanzen in die Kopfhaut. Die Kliniken geben nicht bekannt, welche Stoffe sie verwenden. Hautarzt Peter Gutzwiller rät davon ab: «Das ist Quacksalberei.» Die österreichische Internetseite «Medizin transparent» schreibt, es gebe keine Beweise für den Nutzen. Studien zeigen aber unangenehme Nebenwirkungen wie Infektionen und Geschwüre.
Männern, für die eine Transplantation nicht infrage kommt, empfiehlt die Gentlemen’s Clinic eine Mikrohaarpigmentierung. Mit feinen schwarzen Tattoopunkten werden dabei Haarstoppeln imitiert. Der Zürcher Haarchirurg Conradin von Albertini warnt: «Die Pigmentierung bleicht mit der Zeit aus und muss wiederholt werden.»
Viele rasieren die Haare lieber ganz ab
Hautarzt Peter Gutzwiller empfiehlt mehr Gelassenheit. Haarausfall sei ein natürlicher Teil des Alterns. «Leider haben viele Leute Probleme damit», so Gutzwiller. «Ein gesunder Mensch sollte sich so akzeptieren, wie er ist.»
Das sagen sich auch die Mitglieder des Internetforums Wenighair.de: Sie rasieren sich die verbliebenen Haare komplett ab und stellen ihre Fotos ins Internet. Ihr Motto: «Selbstbewusst mit Glatze».
Zur Kritik der Fachleute sagt die Gentlemen’s Clinic, erst würden die Ärzte versuchen, den Haarausfall zu stoppen, bevor sie Haare verpflanzen. Herren über 35 Jahren rate die Klinik von Finasterid ab. Viele Kunden hätten berichtet, dass die Eigenblutbehandlung das Wachstum der Haare deutlich verbessere.
Die Gentlemen’s Clinic räumt ein, dass die Farbe der Mikropigmentierung mit der Zeit verblassen kann. Dies sei aber kein Nachteil, weil gleichzeitig auch die Haare grau würden.