Bei Urs Gamper gibt es keinen Tag, an dem er nicht Augentropfen verwendet: «Ich muss sie seit über 15 Jahren nehmen, jeden Morgen und jeden Abend.» Der Grund: Der Augenarzt stellte beim 60-jährigen Thurgauer einen erhöhten Augendruck fest. Behandelt man diesen nicht, kann der Sehnerv Schaden nehmen. Betroffene erblinden im schlimmsten Fall. Ärzte sprechen von grünem Star oder Glaukom. Gamper sagt: «Die Therapie ist mir wichtig. Es geht ja um mein Augenlicht.» Urs Gamper ist kein Einzelfall.
Laut den Fachleuten der Ophthalmologischen Gesellschaft haben in der Schweiz zwei bis drei von hundert Personen im Alter von über 40 Jahren den grünen Star. Mit zunehmendem Alter häuft sich die Krankheit.
Roclanda hat für Patienten keine wesentlichen Vorteile
Als Mittel gegen den grünen Star gibt es zahlreiche Augentropfen. Mit Roclanda kommt jetzt ein weiteres Präparat hinzu. Laut der britischen Zeitung «Pharma Times» beginnt damit bei der Therapie des grünen Stars ein neues Zeitalter. Erstmals seit über 20 Jahren gebe es mit Roclanda eine neue Art von Glaukom-Augentropfen. Das Mittel besteht aus zwei Wirkstoffen. Doch unabhängige Ärzte winken ab: Roclanda habe für Patienten keine wesentlichen Vorteile.
Zu diesem Schluss kam der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser vor einem Jahr in der Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm». Laut Becker-Brüser ist nicht sicher nachgewiesen, dass die Tropfen gleich gut wirken wie eine Therapie mit einem bewährten Kombimittel. Hinzu kommt: Bei Roclanda treten gehäuft Nebenwirkungen im Bereich des Auges auf. Dazu gehören rote oder gereizte Augen, Schmerzen an der Eintropfstelle und teilweise auch eine verminderte Sehschärfe.
Auf dem Portal Glaukom-Forum.net berichten Patienten, dass sie mit Roclanda «auf dem Auge einen leichten Nebel» haben, «extreme Augenschmerzen» oder dass die Augen gerötet seien und jucken. Laut dem deutschen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen brechen 16 von 100 Patienten die Behandlung mit Roclanda wegen Nebenwirkungen ab. Zum Vergleich: Bei der Therapie mit dem bewährten Kombimittel brach nur 1 von 100 Patienten die Behandlung ab.
Experten gehen davon aus, dass Roclanda die bewährten Therapien nicht verdrängen wird. Die Krankenkassen bezahlen das Medikament bisher nicht.
Diese Mittel senken den Druck am stärksten
Fachärzte verschreiben Patienten mit hohem Augendruck und grünem Star meistens Wirkstoffe wie Bimatoprost oder Latanoprost. Diese senken den Augendruck am stärksten. Das belegte im Jahr 2016 eine Übersichtsstudie der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore (USA). Allerdings verursachen diese Mittel ab und zu unangenehme Nebenwirkungen, vor allem im Bereich der Wimpern, an der Iris und um das Auge herum. Das erlebte die 88-jährige Ursula Güdemann aus Beringen SH.
«Meine Wimpern wuchsen, bis sie an die Brillengläser stiessen», erzählt sie. Zudem bekam sie dicke Tränensäcke und einen dunklen Rand um die Augen. «Ich sah völlig verändert aus», sagt Güdemann. Auch Urs Gamper litt mit Latanoprost-Augentropfen an Nebenwirkungen. Er habe in den Augen ein heftiges Brennen gespürt, sagt er. «Das war sehr unangenehm.» Jetzt nimmt Gamper ein anderes Präparat mit diesem Wirkstoff von Mepha, das er besser verträgt. Augenärzte geben Patienten oft auch Betablocker-Augentropfen wie Timolol oder Betaxolol.
Diese sind ebenfalls lange erprobt, senken den Augendruck aber etwas weniger stark. Zudem verursachen sie manchmal Kopfweh, machen müde oder verlangsamen den Herzschlag. Für Leute mit Herzschwäche oder mit Asthma sind sie nicht geeignet.
Patienten reagieren auf die Tropfen unterschiedlich
Es ist oft nicht einfach, das passende Mittel für die Augen zu finden. Der Augenarzt muss dabei viele Aspekte berücksichtigen: etwa die Art des grünen Stars und die Höhe des Augendrucks. Auch das Alter des Patienten, allfällige weitere Krankheiten und Medikamente spielen eine Rolle. Augentropfen aus der Gruppe der Sympathomimetika sollte man zum Beispiel nicht anwenden, wenn man Antidepressiva wie Saroten oder Surmontil schluckt. Zudem reagieren Patienten unterschiedlich auf die Tropfen.
Häufig muss man mehrere Präparate ausprobieren oder kombinieren, bis sich eine wirksame Therapie findet, die ein Patient auch gut verträgt. Die Hersteller schreiben, der Augenarzt müsse für jeden einzelnen Patienten die Vor- und Nachteile der verschiedenen Wirkstoffe abwägen. Die Firma Medius sagt zu ihrem Mittel Betoptic mit dem Wirkstoff Betaxolol, es könne einige Wochen dauern, bis es vollständig wirke. Andere Hersteller verweisen auf den Beipackzettel ihrer Medikamente.
Wichtig: Patienten sollten Augentropfen konsequent anwenden, Tag für Tag. Nur so sinkt der Augendruck und damit das Risiko, dass die Krankheit fortschreitet. Die Experten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen raten, die Tropfen stets zu einer bestimmten Tageszeit anzuwenden, etwa vor einer Mahlzeit oder vor dem Zubettgehen. So vergesse man die Anwendung nicht. Auch ein Zettel im Badezimmer oder eine Erinnerungsmeldung auf dem Handy kann helfen.
Die Fachleute empfehlen zudem den Patienten, nach dem Eintropfen mit dem Finger sanft auf den inneren Augenwinkel zu drücken. So gelangt der Wirkstoff nicht über den Tränenkanal in die Nase und verursacht weniger Nebenwirkungen. Tropfen ohne Konservierungsmittel reizen die Augen weniger stark. Solche Tropfen gibt es bei den meisten Wirkstoffen – nicht jedoch beim neuen Mittel Roclanda. Helfen Augentropfen nicht, raten Ärzte oft zu einem Lasereingriff oder zu einer Operation.
Damit will man den Abfluss des Kammerwassers im Auge verbessern und den Druck langfristig senken.
So wenden Sie Augentropfen richtig an
• Verwenden Sie die Augentropfen genau nach den Vorgaben des Arztes zu Dosis und Zeitpunkt der Einnahme.
• Schliessen Sie nach dem Eintropfen für zwei bis drei Minuten die Augen. Drücken Sie dabei mit dem Zeige finger leicht auf den inneren Augenwinkel.
• Fragen Sie den Arzt nach Tropfen ohne Konservierungsmittel.
• Bei trockenen Augen kann Ihnen der Arzt zusätzlich ein Tränenersatzmittel verordnen.