Damit hatte Heini Meier aus Lostorf SO nicht gerechnet: Nach einer Augenoperation sieht er fast noch schlechter als vorher. Der 74-Jährige hatte einen grauen Star. Dabei trübt sich die Augenlinse, man sieht nur noch verschwommen.
Im Frühjahr des vergangenen Jahres ersetzte eine Ärztin der Augenklinik Heuberger in Olten die trüben Linsen in zwei ambulanten Eingriffen durch künstliche. Doch sechs Monate später sah Meier auf dem rechten Auge immer noch einen Grauschleier, zudem war die Sicht eingeschränkt. Es stellte sich heraus: Die Netzhaut hatte sich abgelöst. Dies musste in einer weiteren Operation korrigiert werden. «Die Diagnose war für mich niederschmetternd», sagt Meier.
Laut Augenarzt Isaak Schipper, emeritierter Chefarzt der Augenklinik im Luzerner Kantonsspital, ist das nicht ungewöhnlich. Es könne bei etwa einem Prozent der Fälle zu einer solchen Netzhautablösung kommen. Bei manchen Patienten, die vorher schon am Auge krank waren, könne das Risiko auf bis zu vier Prozent steigen.
Heini Meier kritisiert aber: «Über solche Risiken hat mich meine Ärztin überhaupt nicht aufgeklärt.» Sie habe ihm auch nicht gesagt, dass seine Kurzsichtigkeit das Risiko für eine Netzhautablösung erhöht. Ausserdem sagt Meier, er könne durch die künstlichen Linsen auch nicht mehr wie zuvor in der Nähe scharf sehen. Bei Sonnenschein und nächtlichem Autofahren werde er zudem geblendet und müsse besonders aufpassen. Auch auf diese Nebenwirkungen hätte man in der Klinik nicht hingewiesen.
Heini Meier ist kein Einzelfall, weiss Christina Strässle. Die Augenexpertin der Patientenorganisation SPO sagt: «Ich erlebe häufig Betroffene, die sich nicht gut über die möglichen Auswirkungen der Operation informiert fühlen.» Die Ärzte würden sich zu wenig Zeit nehmen, um auf die Risiken der Operation einzugehen.
Augenkliniken verharmlosen Eingriff
Ein Blick auf die Website mancher Augenkliniken bestätigt, dass die Operation oft als harmlos und unkompliziert beschönigt wird. So schreiben die Hirslanden-Kliniken im Internet: «Die Graue Star-Operation (…) gilt heute mittlerweile als praktisch risikolose Routineoperation.» Bei den Pallas-Kliniken heisst es, die Operation des grauen Stars sei «der meisterprobteste und sicherste Eingriff. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen».
Augenarzt Isaak Schipper kritisiert solche Aussagen: «Damit wiegt man den Patienten in falscher Sicherheit.» Zwar käme es tatsächlich selten zu Komplikationen. «Aber man darf das Risiko auf keinen Fall bagatellisieren», warnt er.
60 000 Operationen des grauen Stars pro Jahr
Neben dem Ablösen der Netzhaut gibt es eine Reihe weiterer möglicher Komplikationen. Bei etwas unter einem Prozent der Patienten schwillt die Netzhaut an oder es kommt zu einer Infektion. Auch Blutungen im Auge sind möglich. Bedenkt man, dass jedes Jahr ungefähr 60 000 Operationen durchgeführt werden, wären entsprechend mehrere Tausend Patienten anschliessend von Problemen betroffen.
Fachleute raten deshalb, sich nicht um jeden Preis und nicht zu früh operieren zu lassen. Da der graue Star nur langsam voranschreitet, kann man eine Operation problemlos bis ins hohe Alter hinausschieben.
Wann operiert werden soll, hängt dabei vor allem von der persönlichen Einschätzung der Betroffenen ab. Sie müssen entscheiden, wann das Sehvermögen so stark beeinträchtigt ist, dass es für die täglichen Anforderungen wie zum Beispiel Autofahren nicht mehr ausreicht. Vor einer Operation des grauen Stars sollten sie sich genau informieren und sich eingehend mit ihrem Augenarzt besprechen.
Der Leidensweg ist noch nicht zu Ende
Christina Strässle von der Patientenorganisation SPO empfiehlt zudem, den Aufklärungsbogen, den jeder Patient unterzeichnen muss, aufmerksam durchzulesen: «Und wenn man etwas nicht versteht, sollte man unbedingt nachfragen», sagt sie. «Das ist Ihr Recht als Patient.»
Heini Meier sagt im Rückblick: «Ich hätte besser noch etwas zugewartet. Und vielleicht noch eine zweite Meinung eingeholt.» Sein Leidensweg ist noch nicht zu Ende. Im Herbst muss er sich noch einmal einer Operation unterziehen.
Die Hirslanden-Kliniken erklären auf Anfrage des Gesundheitstipp, es sei die Aufgabe des Arztes, den Patienten über mögliche Risiken zu informieren und auf die individuellen Risiken einzugehen. Die Pallas-Kliniken geben an, dass Patienten detailliert über den Ablauf der Operation sowie mögliche Komplikationen aufgeklärt würden. Die Augenklinik Heuberger äusserte sich nicht zum vorliegenden Fall.
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