Shanan Aboul-Aroudh aus Oberrieden ZH ernährt sich wenn immer möglich ohne Gluten. Dieses Eiweiss findet sich in Weizen, Gerste und Hafer. Einige Leute vertragen es nicht, sie haben Zöliakie. Dann kann der Darm Gluten nicht aufspalten und entzündet sich. Die Betroffenen haben Bauchweh, Blähungen und Durchfall. Die 47-jährige Aboul Aroudh hat keine Zöliakie. Sie sagt: «Wenn ich kein Gluten esse, fühle ich mich leichter und wohler.»
Wie Aboul-Aroudh geht es vielen Leuten: Sie verzichten auf Gluten, obwohl sie nicht müssten. Statt Brot und Teigwaren essen sie Reis, Kartoffeln oder Hirse. Sie glauben, dass sie dadurch gesünder leben. Doch nun zeigen Studien: Eine Ernährung ohne Gluten bringt nichts – im Gegenteil: Sie ist sogar ein Risiko für die Gesundheit.
Eine internationale Forschergruppe wertete dieses Jahr drei Studien mit insgesamt 200000 Teilnehmern aus. Sie waren während 20 Jahren zu ihren Essgewohnheiten befragt worden. Das Fazit der Forschergruppe: Je weniger Gluten man isst, desto mehr steigt das Risiko für Diabetes. Die Wissenschafter führen dies vor allem darauf zurück, dass Betroffene auf wertvolle Vitamine verzichten sowie auf Eisen und Ballaststoffe aus Getreide. Doch Ballaststoffe sind wichtig, weil durch sie der Zucker langsamer ins Blut übergeht. Zudem verändert sich die Zusammensetzung der Darmbakterien: «Eine Diät ohne Gluten verringerte die Anzahl nützlicher Bakterien im Darm und erhöhte diejenige von potenziell krank machenden Bakterien», heisst es in der Studie.
Bereits frühere Studien zeigten, dass Gluten nichts Schlechtes ist: Wer mit Brot jeden Tag 60 bis 80 Gramm Gluten ass, hatte bessere Blutwerte und ein geringeres Risiko für Krankheiten des Herz-KreislaufSystems.
Mehr Schwermetalle und Arsen im Blut
Forscher in den USA belegten kürzlich, dass Blut und Urin von Leuten, die auf Gluten verzichten, stärker mit Schwermetallen wie Quecksilber und auch mit Arsen belastet sind. Grund: Die Betroffenen essen mehr Reis – und Lebensmittel ohne Gluten enthalten oft Reismehl. Der Gesundheitstipp zeigte in einem Test, dass vor allem Vollreis zum Teil massiv mit dem Giftstoff Arsen belastet ist (Gesundheitstipp 8/2017).
In Esswaren ohne Gluten hats zudem bis zu dreimal weniger Eiweiss, aber mehr Fett und damit mehr Kalorien. Das zeigten spanische Forscher letztes Jahr. Sie untersuchten 700 Produkte, darunter Brot, Teigwaren und Guetsli.
Wer Verdauungsbeschwerden hat, sollte zum Arzt. Allergiespezialist Brunello Wüthrich aus Zollikerberg ZH sagt: «Ohne Gluten sollte man sich nur ernähren, wenn ein Arzt die Diagnose Zöliakie gestellt hat.» Dies lässt sich mit Bluttests und einer Darmspiegelung nachweisen.
Wer hingegen keine Zöliakie hat, aber unter ähnlichen Symptomen leidet, reagiert womöglich einfach empfindlich auf Gluten. Es ist allerdings umstritten, ob das möglich ist. Auch gibt es keine medizinischen Tests, um dies abzuklären. Laut Wüthrich sollte man dennoch nicht selbst pröbeln, sondern sich von einem Arzt oder Ernährungsberater helfen lassen. «Experimentiert man selbst, sind die Risiken für die Gesundheit und die Kosten zu hoch.»
Produkte ohne Gluten sind teurer als normale. Das zeigte ein Preisvergleich des «K-Tipp» 8/2015. Eine Packung Spaghetti ohne Gluten kostet bei der Migros etwa drei Mal so viel wie eine klassische. Trotzdem verkaufen die Grossverteiler immer mehr dieser Produkte. Die Migros führte 2014 noch 35, heute sind es doppelt so viele. Coop vertreibt über 100 Lebensmittel ohne Gluten.
Coop schreibt dem Gesundheitstipp, glutenfreie Artikel seien «in der Regel etwas teurer», weil die Rohstoffe mehr kosten, kleinere Mengen hergestellt werden und die Herstellungsprozesse komplexer seien.
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