Kürzlich träumte ich, dass meine Enkeltochter mit einem Hund im Fluss badete. Plötzlich war sie weg. Ich stand auf einem Hügel und konnte nichts tun. Als ich erwachte, war ich von Angst erfüllt. Dann kam dieser grosse Schmerz in mir hoch. Ich brauchte mehrere Tage, um mich zu fangen.
Solche Träume habe ich immer wieder. Denn vor 33 Jahren ertrank mein Mann, und ich konnte ihm nicht helfen. Auch damals fühlte es sich an wie ein böser Traum. Wir spazierten mit unseren drei Hunden der Aare entlang. Mein Mann warf Stöckchen ins Wasser, die Hunde sprangen hinterher. Ein Hund geriet in einen Strudel und kam allein nicht mehr raus. Ich wollte ins Wasser, aber mein Mann sagte: «Nein, du gehst nicht. Ich gehe!» Die Strömung erfasste ihn. Die Aare macht an dieser Stelle eine Kehre. Das Wasser zog ihn immer weiter weg. Er rief mehrmals um Hilfe. Aber ich konnte nichts tun. Es gab weder eine Rettungsstange noch einen Rettungsring. Ich musste einfach zusehen, wie mein Mann ertrank. Als Letztes sah ich sein Gesicht, dann ging er unter. Nie zuvor hatte ich mich so hilflos gefühlt. Das spüre ich noch heute.
Unser Hund überlebte: Ein paar Minuten später kamen Leute in Gummibooten vorbei, sie konnten den Hund aus dem Wasser ziehen. Ich habe den Leuten zugerufen: «Da hinten ist mein Mann, holen Sie meinen Mann!» Aber sie haben ihn nicht mehr gefunden. Ich rannte zum nahen Pfarrhaus. Der Pfarrer rief die Polizei. Erst vier Tage später fand man die Leiche.
Ich war so traurig und bin es zeitweise immer noch. Ich denke oft an meinen Mann. Er fehlt mir, sein Tod lässt mir keine Ruhe. Auch für unsere Söhne war es schrecklich. Das tat zusätzlich weh. Sie waren damals 18 und 21 Jahre alt. Der Ältere fragte mich einmal: «Warum musste Papi diesen Hund retten?» Ich habe darauf keine Antwort. Es war einfach so, und ich kann es nicht ändern. Aber die Frage nach dem Warum quält mich bis heute. Ich habe Schuldgefühle, weil nicht ich ins Wasser ging. Mein Mann war es nicht gewohnt, in der Aare zu schwimmen. Vielleicht hätte ich es geschafft. Oder vielleicht hätte ich ihn retten können.
Ich arbeitete damals in einem Altersheim. Aber den Job musste ich aufgeben. Es schien mir so ungerecht, dass dort 90-Jährige lebten, die sterben wollten – und mein erst 47-jähriger Mann wurde uns genommen. Der Tod meines Mannes hat mich verändert. In einem Fluss zu schwimmen, ist für mich heute unvorstellbar. Dabei mochte ich die Aare früher sehr gern. Wenn ich sehe, dass jemand seinem Hund Stöckchen wirft, schaudert es mich. Manchmal warne ich die Leute.
Ich versuche positiv zu sein. Nach aussen gelingt mir das auch. Doch in mir drin sieht es anders aus. Am schlimmsten ist es, wenn die Albträume kommen. Da ist immer dieser Fluss, der mir etwas wegnimmt. Ich habe zweimal eine Psychotherapie begonnen. Aber das war nicht das Richtige für mich. Ich flüchtete mich in meine neue Arbeit bei einem Tierarzt. So lenkte ich mich ab. Im Nachhinein war das wohl ein Fehler. Ich weiss, dass ich Hilfe brauche. Darum möchte ich jetzt nochmals eine Therapie machen. Ich werde nie vergessen, was passiert ist. Aber nach so langer Zeit muss der Schmerz doch einmal abklingen.
Resilienz: So stärken Sie Ihre Seele
Schicksalsschläge, Krisen und Stress gehören zum Leben. Innere Widerstandskraft hilft, damit umzugehen. Fachleute sprechen von Resilienz. Wichtig ist das soziale Umfeld. Wer Menschen um sich hat, denen man Sorgen anvertrauen kann, fühlt sich besser aufgehoben. Der Grundstein für Resilienz wird in der Kindheit gelegt: Eltern sollten ein starkes Selbstwertgefühl vermitteln.
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