Viele Kinder sehen schlecht in die Weite. Der Augenarzt Mathias Abegg vom Inselspital Bern sagt: «Am Ende der Schulzeit ist etwa jeder Dritte kurzsichtig.» Vor 50 Jahren waren es halb so viele Jugendliche.
Der vermutete Hauptgrund: Kinder und Jugendliche sind zu wenig im Freien und haben damit zu wenig Tageslicht. Die Nervenzellen des Auges bilden dann weniger von gewissen Botenstoffen – das hat Folgen. Die St. Galler Augenärztin Gabriela Wirth Barben hat sich auf Kinder spezialisiert und erklärt es so: «Bei kurzsichtigen Kindern wächst der Augapfel zu schnell.»
Einige Augenärzte verschreiben diesen Kindern seit kurzem ein umstrittenes Mittel: Atropin, das Gift der Tollkirsche. Sehr stark verdünnt, soll es das Wachstum des Augapfels bremsen. Studien aus Singapur belegen das.
Doch Atropin hat Nachteile: Sobald die Kinder die Tropfen nicht mehr bekamen, wuchs der Augapfel wieder schneller. Zudem können manche Kinder nicht mehr gut in die Nähe fokussieren. Andere blendet Licht, weil das Gift die Pupillen erweitert. Die Therapie benötigt auch Disziplin: Die Kinder müssen sich meist während mindestens zwei Jahren jeden Abend Atropin in die Augen tropfen lassen. Wie genau es gegen Kurzsichtigkeit wirkt, ist unklar. Und es ist nicht für diesen Zweck zugelassen.
Für viele Fachärzte ist Atropin deshalb keine Option. Der Luzerner Augenarzt Dietmar Thumm sagt: «Bisher stammen alle wesentlichen Studien aus Asien. Wir wissen nicht, ob die Tropfen bei europäischen Kindern gleich wirken.» Denn die Iris und deren Stoffwechsel seien anders als bei asiatischen Kindern. Augenärztin Gabriela Wirth Barben erklärt: «Ich verschreibe Atropin nur Kindern, deren Kurzsichtigkeit sich rasch verschlechtert.» Sie empfiehlt Eltern, ihre Kinder möglichst oft ins Freie zu schicken und sie nicht zu lange mit Smartphone und iPad spielen zu lassen.
Tipps
So können Sie feststellen, ob Ihr Kind kurzsichtig ist. Es kneift oft die Augen zusammen. reagiert ungenügend auf Reize aus der Ferne. hat Kopfschmerzen nach intensivem Starren in die Ferne. sieht deutlich schlechter bei ungenügendem Licht oder am Abend.