Nichts lieben Kinder mehr als einen Chilbi-Besuch. Die Migros macht sich dies zunutze und holt den Jahrmarkt in die Regale. Neu riecht es in der Früchteabteilung nach Zuckerwatte. Der Grund sind die sogenannten Cotton-Candy-Trauben aus Italien. Sie riechen nicht nur nach Zuckerwatte, sondern schmecken auch so. Eine Motivation, damit Kinder mehr Früchte essen.
Doch das ist riskant. Denn diese Trauben enthalten mehr giftige Rückstände als andere Sorten und sind erst noch teurer. Dies zeigt eine Stichprobe des Gesundheitstipp.
Bei einer Probe konnte das Labor gleich fünf verschiedene Pflanzenschutzmittel nachweisen. Darunter den Insektenkiller Spinosad, das Pilzgift Metrafenon oder Fludioxonil – ein Stoff, der in grossen Mengen Krebs auslösen kann. Die Menge der Wirkstoffe lagen allerdings unter den geltenden Grenzwerten.
«Pestizide gehören nicht in Trauben»
Für Peter Kälin, Präsident des Vereins Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, ist das Resultat dennoch ein Grund zur Besorgnis: «Wir wissen nicht, wie sich solche Gemische auf den Körper auswirken.» Daher gelte das Vorsorgeprinzip. «Pestizide gehören überhaupt nicht in Trauben.»
Auch Philippe Schenkel, Umweltwissenschafter und Pestizidexperte bei Greenpeace, sieht in den Wirkstoff-Cocktails «ein grosses Risiko für die Konsumenten»: «Es könnte zu Wechselwirkungen kommen – auch mit Giftstoffen aus Kleidern oder Kosmetikprodukten.» Zudem bestehe die Gefahr, dass sich die Wirkung summiere. Die Anzahl der Stoffe ist gesetzlich nicht begrenzt. Solange die Produzenten die Grenzwerte der einzelnen Stoffe einhalten, dürfen sie die Trauben verkaufen.
Die Zuckerwatte-Trauben enthielten sogar mehr Giftstoffe als konventionelle Tafeltrauben (siehe Grafik Seite 9). Zwar konnte das Labor auch in den gleichen Sorten von Migros, Coop, Aldi und Lidl Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachweisen. Allerdings deutlich weniger als bei den Trauben mit Zuckerwattegeschmack. Experte Schenkel: «Es ist bedenklich, dass ausgerechnet Trauben, die für Kinder entwickelt wurden, die höchsten Rückstände aufweisen.» Die kleinen Körper seien viel empfindlicher und die Kinder ässen im Verhältnis zu den Erwachsenen mehr Früchte.
Trauben waschen bringt wenig
Die Trauben zu waschen, hilft nur begrenzt. In der Vergangenheit haben mehrere Tests gezeigt, dass sich nur ein Teil des Gifts abwaschen lässt. Auch Einweichen oder Abreiben nützt nichts, denn ein Grossteil der giftigen Mittel dringt tief in die Schale ein.
Der Arzt Peter Kälin: «Wer das Risiko für seine Kinder und sich selbst verkleinern will, sollte Bio-Trauben kaufen.» Dies bestätigt die Stichprobe des Gesundheitstipp. Auf den getesteten Bio-Trauben waren keine Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachweisbar.
Die Migros schreibt, die Resultate entsprächen sowohl den gesetzlichen wie auch den internen Vorgaben. Sie weist darauf hin, dass man bei den Grenzwerten auch empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder berücksichtige. Coop argumentiert ähnlich wie die Migros. Lidl und Aldi erklären, sie seien stets bemüht, die giftigen Wirkstoffe in Lebensmitteln weiter zu reduzieren.
So wurde getestet: Trauben aus Migros, Coop, Lidl und Aldi
Der Gesundheitstipp liess drei Packungen Zuckerwatte-Trauben aus verschiedenen Migros-Filialen in der Schweiz auf Pestizidrückstände testen. Zum Vergleich untersuchte das Labor auch vier Sorten traditionelle Tafeltrauben von Migros, Coop, Lidl und Aldi. Ebenso wurden auch Bio-Trauben von Migros, Coop und aus dem Reformhaus Rägeboge aus Winterthur getestet.