Benno Schmied (Name geändert) aus Reichenburg SZ hatte bis zu zehn Gichtanfälle im Jahr. Aufgeschwollene Fussgelenke und Fersen zwangen ihn immer wieder, am Stock zu gehen. Einige Knoten waren so gross wie eine 10-Rappen-Münze.
Seit drei Jahren nun nimmt der 67-jährige Kaufmann am Morgen eine Tablette. Seither hat er die Krankheit viel besser unter Kontrolle. «Ich habe so gut wie keine Gichtanfälle mehr, gelegentlich leichte im Fingergelenk oder im Daumen.» Auch fährt er wieder Velo und Ski. Störende Nebenwirkungen hat er nicht. Für Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser ist das kein Wunder, denn Medikamente spielen bei Gicht eine Schlüsselrolle: «Dank ihnen müssen Patienten viel seltener zum Hausarzt.»
Patienten mit Gicht leiden an einem Defekt in denjenigen Genen, die den Harnsäurespiegel im Blut regeln. Die Niere kann die viele Säure nicht mehr über den Urin ausscheiden, die Harnsäure-Kristalle lagern sich in den Gelenken ab. Es kommt zu Entzündungen und Schmerzen – dem akuten Gichtanfall. Das kann fatale Folgen haben: Gichtanfälle zerstören langfristig die Gelenke, wenn man sie nicht stoppt. Auch die Niere nimmt Schaden, denn zu hohe Harnsäurewerte führen zu hohem Blutdruck und erhöhen somit auch das Risiko für einen Herzinfarkt.
Zu Beginn hilft oft das Umstellen der Ernährung. Walser sagt: «Vor allem Fleisch, Fisch, Fruchtzucker und Alkohol sind schädlich: Sie sorgen dafür, dass der Körper viel Harnsäure bildet.» Günstig sind Kaffee und Vitamin C.
«Fleisch und Alkohol gibts nur gelegentlich»
Auch Benno Schmied hat seine Essgewohnheiten angepasst: «Ich esse gern. Doch ich habe mir angewöhnt, nur noch zweimal die Woche Fleisch zu essen, wenig Meeresfrüchte zu geniessen und nur gelegentlich Alkohol zu trinken», sagt er. Doch wie bei vielen Patienten hat das auch bei ihm nicht gereicht: Er musste zu Tabletten greifen.
Ärzte geben Patienten bei einem akuten Schub erst Schmerzmittel mit Wirkstoffen wie Naproxen oder Diclofenac (siehe Tabelle). Sie hemmen gleichzeitig die Entzündungen in den Gelenken. Von Präparaten mit Salicylsäure raten Experten ab. Sie könnten Gichtanfälle auslösen. Viele Patienten vertragen die Schmerzmittel nicht dauerhaft oder sie dürfen keine nehmen. Etwa weil sie eine Leber- oder Nierenkrankheit haben oder Herzprobleme.
In solchen Fällen verschreiben Ärzte Kortison-Tabletten oder spritzen den Wirkstoff direkt ins Gelenk. Kortison hemmt allerdings die Wirkung von Insulin. Deshalb müssen Diabetespatienten auf Colchicin ausweichen, einen Wirkstoff aus der Herbstzeitlose. Auch Colchicin lindert den Schmerz und hemmt die Entzündung. Ärzte setzen den Stoff ein, obwohl er in der Schweiz nicht zugelassen ist. In der Regel ist ein Gichtanfall dann nach 14 Tagen ausgeheilt.
Um einem Anfall vorzubeugen, kommen viele Patienten nicht darum herum, Medikamente zu schlucken. Die Zürcher Gruppenpraxis Medix empfiehlt dies Patienten, die pro Jahr mehr als drei Anfälle haben. Zuerst versuchen es die Ärzte in der Regel mit dem Wirkstoff Allopurinol. Er ist in Mephanol und Zyloric enthalten. Ein Garant sind die Mittel aber nicht: Bei jedem zweiten Patienten bleibt der Harnsäurespiegel im Blut trotzdem hoch. Ausserdem kann der Wirkstoff heftige Nebenwirkungen auslösen: Fast jeder Zehnte klagt über Hautprobleme. Die Haut kann sich über grössere Flächen ablösen. Ein rasches Absenken des Harnsäurespiegels kann zudem einen Gichtschub auslösen.
Adenuric: Wirkt, ist aber nicht zugelassen
Wer Allopurinol nicht verträgt, hat in Santuril eine Alternative. Das Mittel mit dem Wirkstoff Probenecid bewirkt, dass die Niere den Harn besser ausscheiden kann. Es ist allerdings weniger effektiv als Allopurinol und der Patient muss gesunde Nieren haben. Ulrich Walker, Rheumaarzt am Unispital Basel, sagt: «Man setzt es nur selten ein.»
Eine weitere Option ist Adenuric mit dem Wirkstoff Febuxostat. Obwohl in der Schweiz noch nicht zugelassen, setzen es Ärzte und Kliniken seit Jahren ein. Studien zeigen: Auch bei eingeschränkter Nierenfunktion senkt der Wirkstoff den Harnsäurespiegel klar stärker und verhindert damit mehr Gichtschübe als Allopurinol. Das bestätigt Walker: «Febuxostat ist ein guter und wichtiger Wirkstoff, wir setzen ihn häufig ein.»
Allerdings warnten Fachleute früher immer wieder vor Nebenwirkungen: So berichtete das deutsche «Arznei-Telegramm» vor drei Jahren von schweren Überempfindlichkeitsreaktionen. Man müsse die Patienten eng kontrollieren.
Der italienische Pharmakonzern Menarini verweist auf Studien: Sie hätten gezeigt, dass ihr Medikament Adenuric bei weniger als 3 von 100 Patienten Nebenwirkungen auslösen würde. Dazu gehörten Gichtanfälle, Kopfschmerzen und Übelkeit, aber meist in leichter bis mittelschwerer Form.
Mepha Schweiz sagt, Mephanol könne man niedriger dosieren und so das Risiko von Nebenwirkung verkleinern. Das sei bei Patienten mit Nierenschwäche sogar ein Muss. Novartis Pharma bestätigt, dass Voltaren bei einigen Patienten Kopfweh, Darmprobleme oder Benommenheit hervorruft.
Galenica sagt, Algifor sei nicht zum Behandeln eines Gichtanfalls vorgesehen. Das Pharmaunternehmen Ysatfabrik schreibt, bei Colchicum Dispert habe die Dosis Einfluss auf die Neben- und Wechselwirkungen. Es sei nicht nötig, dass Patienten eine gesunde Niere haben, damit sie das Medikament verwenden könnten. Santuril-Hersteller Lipomed verweist auf die Fachinformationen.
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