Die Symptome kamen über Nacht. Ich erwachte um 6 Uhr am Morgen mit starken Schmerzen am ganzen Körper. Ich fühlte mich schlapp, hatte 38 Grad Fieber und Husten. Ich dachte sofort, dass es das neue Virus war. Da ich über 70 Jahre alt bin und Asthma habe, bekam ich Angst. Ich wusste, dass ich schwer erkranken könnte. Jede Stunde mass ich Fieber. Als es weiter anstieg, rief ich den Hausarzt an. Er wollte, dass ich mich testen liess.
Ein Tag später rief mein Arzt an: Es war das Virus. Ich hatte mich angesteckt. Es war kein Schock, denn ich war darauf vorbereitet. Vorerst blieb ich zuhause. Es ging mir aber immer schlechter – körperlich und seelisch.
Vor dem Einschlafen hatte ich grosse Angst. Ich fürchtete, dass ich in Atemnot geraten und ersticken könnte. Niemand hätte mir helfen können, denn ich wohne alleine. Ich wälzte mich hin und her. Übers Handy verfolgte ich die Nachrichten über das Coronavirus. Sie beunruhigten mich zusätzlich. Doch ich konnte nicht aufhören damit, es war wie eine Sucht. Ich erwachte fast stündlich und war schweissgebadet. Tagsüber hatte ich keine Kraft zum Aufräumen, Putzen oder Kochen. Ich hatte keinen Hunger und trank nur Tee.
Meine Hustenanfälle wurden heftiger. Auch das Fieber liess nach einer Woche nicht nach. Deshalb überwies mich mein Hausarzt ins Spital Samedan GR. Die Ärzte kontrollierten die Lunge und das Blut. Das Personal kam nur, wenn es nötig war. Alle trugen Schutzanzüge, Masken und Brillen. Ich konnte verstehen, dass sie sich schützen mussten. Ich war froh, als ich vernahm, dass meine Lunge nicht angegriffen war. Langsam kam ich wieder zu Kräften. Nach neun Tagen konnte ich das Spital gesund verlassen.
Zuvor hatte ich das Virus nicht so ernst genommen. Freunde aus China warnten mich schon Anfang Februar, ich solle zu Hause bleiben. Doch ich dachte, mich trifft es nicht. Ich war ständig unterwegs, ging an Sportanlässe, Events und nahm Aufträge an, denn ich bin Fotograf. Jetzt lebe ich völlig anders. Mein Arzt sagte zwar, ich sei jetzt immun. Trotzdem bleibe ich zuhause, solange sich das Virus ausbreitet. Denn ich befürchte, dass es mich doch ein zweites Mal erwischen kann. Und ich möchte solidarisch sein mit anderen Senioren. Zum Glück habe ich gute Freunde, die für mich einkaufen gehen.
Das Handy ist mein Draht zur Aussenwelt. So kann ich immer meine Freunde erreichen. Ausserdem nutze ich die Zeit, um Fotobücher zu machen. Jetzt kann ich alles erledigen, wofür ich sonst nie Zeit hatte. Ich mache mir auch Gedanken darüber, was mir wirklich wichtig ist im Leben. Künftig will ich meinen echten Freundeskreis besser pflegen, statt laufend neue Leute kennenzulernen. Ich bin trotz fortgeschrittenen Alters etwas reifer geworden.
Das Coronavirus darf sich nicht verändern
Die Chance stehen gut, dass Corona-Patienten einige Jahre von einer erneuten Infektion geschützt sein könnten. Denn das neue Virus verändert sich bis jetzt «nur in geringem Masse», wie Manuel Battegay, Infektiologe am Universitätsspital Basel sagt. Der Körper hat ein immunologisches Gedächtnis. Das heisst: Wenn sich das Virus nicht verändert, erkennt es das Immunsystem immer wieder und kann es erfolgreich bekämpfen. Bereits frühere Coronaviren wie Sars oder Mers haben sich nur wenig verändert. Sollte sich das Coronavirus allerdings unerwarteterweise rasch verändern, wie das bei der Grippe jedes Jahr der Fall ist, könnten auch genesene Patienten wieder erkranken.