Auf dem grossen, schwarzen Plakat ist eine Frau zu sehen. Die Hälfte ihres Gesichts ist durch einen grässlichen Ausschlag verunstaltet. Dazu steht in grossen Lettern: «Mein Leben ist perfekt gewesen, bis ich Gürtelrose bekam.» Ähnlich drastische Bilder von Krankheiten sieht man sonst nur auf Zigarettenpackungen. Hinter der Kampagne steht die Pharmafirma Glaxo-Smith-Kline. Sie verkauft den Impfstoff Shingrix gegen Gürtelrose.
Fachleute kritisieren die Kampagne. Es gehe der Pharmafirma vor allem darum, den Umsatz von Shingrix anzukurbeln. Der Basler Arzt Urspeter Masche sagt: «Die Firma ist daran interessiert, dass auf Teufel komm raus geimpft wird.» Denn Shingrix sei ein teurer Impfstoff. Die fürs Impfen benötigten zwei Spritzen kosten rund 350 Franken. Das ist für den Hersteller ein äusserst lohnendes Geschäft: Im ersten Halbjahr 2022 betrug der Umsatz für Shingrix weltweit über 1,5 Milliarden Franken.
Für solche Medikamente gilt ein Werbeverbot
Glaxo-Smith-Kline greift für seine Kampagne in die Trickkiste der Werbestrategen: Sie macht Betroffenen mit Horrorbildern und übertriebenen Zahlen Angst. So erkrankt angeblich jeder Dritte im Lauf des Lebens an Gürtelrose. Gemäss Bundesamt für Gesundheit trifft es jedoch nur jeden Fünften. In den meisten Fällen heilt die Krankheit innert weniger Wochen problemlos. Solche Werbekampagnen würden «immer nach dem gleichen Muster ablaufen», sagt Masche. Eine Pharmafirma blähe ein Gesundheitsproblem auf und stelle es als stark belastend dar. Dann präsentiert sie die Lösung – in diesem Fall die Impfung. Dass diese starke Nebenwirkungen haben kann, ist nirgends zu lesen.
Für Urspeter Masche ist klar: «Mit solchen Kampagnen umgehen Pharmafirmen das Werbeverbot für rezeptpflichtige Medikamente.» Die Rechtsprofessorin Mélanie Levy von der Uni Neuchâtel bestätigt: «Es ist nicht erlaubt, sich in einer Werbekampagne auch nur indirekt auf ein rezeptpflichtiges Medikament zu beziehen.» Zudem sei es verboten, alarmistische Bilder zu verwenden. Die Heilmittelbehörde Swissmedic hat nun ein Verfahren gegen den Hersteller eröffnet.
Glaxo-Smith-Kline sagt, ihre Infos zur Gürtelrose seien «ausgewogen, einfach verständlich und hilfreich». Die Kampagne wolle aufklären, um schlimme Verläufe zu verhindern.