Seit ein paar Jahren bringen Hersteller neue Gentests auf den Markt. Sie sollen zeigen, welche Medikamente bei einem bestimmten Patienten gut wirken. Die Klinik Hirslanden in Zürich schreibt in einer Broschüre, Informationen über die Gene der Patienten seien für die Ärzte wichtig, um Medikamente auszuwählen und richtig zu dosieren. Anfang Jahr kündigte der Apothekerverband Pharmasuisse an, auch Apotheken wollten künftig Gentests anbieten. Die Tests funktionieren alle ähnlich: Der Arzt macht beim Patienten einen Mundabstrich, eine Blut- oder Speichelprobe und schickt die Proben in ein Labor. Dieses untersucht die Genvarianten der Patienten.
Die Fachzeitschrift «Gute Pillen, schlechte Pillen» kritisiert die Tests: Sie seien teuer, würden die Therapie aber nicht verbessern. Nur bei wenigen Medikamenten sei bekannt, dass unterschiedliche Gene der Patienten die Wirkung beeinflussen. Das spiele jedoch bei der Behandlung «kaum eine Rolle». Bisher sind sechs solche Tests erhältlich (siehe Tabelle im PDF):
Antidepressiva-Test
Er soll laut Hersteller Stada «präzise» zeigen, welcher Wirkstoff bei Patienten besonders gut wirkt. Fachleute halten nichts davon. Der Freiburger Psychiater Gregor Hasler empfiehlt den Gentest nicht. Der Nutzen sei nicht klar bewiesen, und er habe sich im Alltag nicht bewährt: «Ich habe oft gesehen, dass ein Medikament, das gemäss Test nicht wirken soll, bei Patienten doch nützte», sagt Hasler. Auch der deutsche Depressionsforscher Peter Ansari rät vom Test ab. Studien hätten die versprochene Wirkung nicht bestätigt. Der Test könne gar dazu führen, dass Ärzte die Patienten in den ersten Tagen der Behandlung weniger genau überwachen.
Tamoxifen-Test
Zwei Hersteller bieten diesen Test für Frauen mit Brustkrebs an. Er soll den Nutzen des Medikaments Nolvadex anzeigen. Krebsarzt Beat Thürlimann vom Brustzentrum des Kantonsspitals St. Gallen sagt, Studien hätten gezeigt, dass Patientinnen nicht länger leben, wenn sie den Test machen. Auch Krebsspezialistin Manuela Rabaglio vom Berner Inselspital empfiehlt ihn nicht.
Pill Protect
Der Test der Westschweizer Firma Gene Predictis soll Frauen zeigen, wie gross ihr Risiko für gefährliche Blutgerinnsel ist, wenn sie Antibabypillen verwenden. Der Berner Pharmakologe Bernhard Lauterburg kritisiert die Zuverlässigkeit des Tests: «Er erfasst viele Frauen nicht, die ein Blutgerinnsel entwickeln.» Umgekehrt führe der Test dazu, dass viele Frauen eine Pille nicht bekämen, die eigentlich optimal wäre. Auch die Fachzeitschrift «Swiss Medical Weekly» rät ab: Frauen sollten lieber Verhütungspillen mit geringem Risiko für Blutgerinnsel verwenden. Das sei die beste Strategie.
Statin-Test
Dank ihm sollen Ärzte erkennen können, welche Cholesterinsenker aus der Gruppe der Statine am besten wirken. Der Basler Arzt Urspeter Masche hält den Test für unnötig. Um den Nutzen eines Statins zu überprüfen, genüge es, den Cholesterinwert der Patienten zu messen: «Ob diese ein Statin vertragen, sieht man, wenn sie es anwenden – nicht durch einen vorgängigen Test.»
Clopidogrel-Test
Er soll zeigen, wie gut Blutverdünner wirken, die den Wirkstoff Clopidogrel enthalten. Eine Studie in der Fachzeitschrift «Journal of the American Medical Association» zeigt aber keinen Nutzen. Auch Urspeter Masche rät davon ab.
Cypass, Sonogen-XP-Test
Sie sind die ultimativen Gentests. Cypass liefert Informationen für 82 Genvarianten. Damit könne man den Nutzen von «annähernd 90 Prozent» aller Medikamente abklären, schreibt der Hersteller. Sonogen XP analysiert 16 Gene. Urspeter Masche warnt, diese Tests würden die Ärzte überfordern: «Man bräuchte die Hilfe eines Computerprogramms, um die grosse Informationsflut mit allen verschriebenen Medikamenten in Bezug zu setzen.» Allerdings kenne er kein passendes Programm. Bernhard Lauterburg sagt: «Weil schon bei einzelnen gut untersuchten Genvarianten der Nutzen nicht belegt ist, dürfte auch ein solches Potpourri nicht weiterhelfen.»
Die Klinik Hirslanden sagt zur Kritik der Fachleute, sie habe «sehr gute Erfahrungen» mit den Gentests gemacht. Es sei wichtig, den Nutzen der Tests weiter zu untersuchen. Die Firma Intlab AG, Anbieterin des Tests Sonogen XP, sagt, es sei kostengünstiger, gleichzeitig viele Gene zu testen. Die Patienten müssten den Test nur einmal machen, die Informationen seien lebenslang gültig. Die Firma stelle die Resultate des Tests übersichtlich dar, deshalb seien die Ärzte damit nicht überfordert.