Die Unruhe kommt häufig in der Nacht: Patienten haben einen heftigen Drang, ihre Beine zu bewegen. Dazu kommen oft Schmerzen. Die Folgen der nächtlichen Tortur: Patienten sind chronisch müde, erschöpft und antriebslos. Die genaue Ursache für das Restless-Legs-Syndrom ist nicht bekannt. Fachleute vermuten, dass der Stoffwechsel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn gestört ist, ähnlich wie bei der Parkinson-Krankheit. Auch zu wenig Eisen im Blut könnte der Auslöser sein.
Doch das Behandeln der Krankheit ist schwierig. Das deutsche Fachblatt «Arzneimittelbrief» hat kürzlich die wichtigsten Mittel und Wirkstoffe bewertet. Fazit: Es gibt nicht nur wenig Medikamente auf dem Markt, häufig wirken sie auch schlecht. Ärzte verschreiben den Patienten meist Mittel, die wie Dopamin im Gehirn wirken. Entwickelt wurden die Medikamente für Parkinson-Patienten.
Noch vor einiger Zeit erhielten Restless-Legs-Patienten vor allem Mittel mit dem Wirkstoff Levodopa – wie Madopar. Er gelangt über die Blutbahn ins Gehirn, wo ihn die Zellen zu Dopamin umwandeln.
Die unabhängige Forschergruppe Cochrane Collaboration kam vor drei Jahren zum Schluss, dass Levodopa die Unruhe in den Beinen etwas besser dämpft als ein Scheinmedikament. Die Wissenschafter hatten dazu 35 Studien ausgewertet: Testpersonen konnten wieder besser schlafen und so ihre Lebensqualität verbessern. Allerdings hält die Wirkung nur wenige Stunden an. Levodopa eignet sich also für ein besseres Einschlafen oder zum Durchstehen eines Theater- oder Kinobesuchs.
Levodopa hat jedoch Nebenwirkungen wie Übelkeit. Zudem: Nehmen Patienten das Mittel länger ein, steigt dass Risiko massiv, dass sich die Beschwerden verschlimmern. Etwa 40 Prozent der Studienteilnehmer brachen deshalb die Behandlung vorzeitig ab. Rositsa Neumann vom Unispital Zürich sagt denn auch: «Wir verschreiben Levodopa immer seltener.» Auch Johannes Mathis vom Inselspital Bern empfiehlt Levodopa allenfalls kurzzeitig gegen gelegentlich auftretende, leichtere Beschwerden.
Besserer Schlaf, mehr Lebensqualität
Ärzte verschreiben nun meist Wirkstoffe, die den Botenstoff Dopamin im Gehirn ersetzen. In der Schweiz sind Sifrol und Adartrel zugelassen. Patienten nehmen die Medikamente ein bis zwei Stunden, bevor sie zu Bett gehen oder vor dem Anlass, an dem die Symptome auftreten können. Die Wirkstoffe sind auch als Pflaster erhältlich.
Die Cochrane-Forscher haben zu diesen Wirkstoffen 36 Studien analysiert. Ihr Fazit: Die Mittel wirken sogar etwas besser als Levodopa. Patienten berichteten, dass sie deutlich besser schlafen konnten und sich ihre Lebensqualität klar verbessert habe. Verstärkte Symptome gabs bloss noch bei jedem zwanzigsten Patienten. Und nur noch jeder fünfte brach die Behandlung vorzeitig ab, weil die Nebenwirkung zu stark oder die Wirkung zu schwach war.
Weniger spezifische Wirkstoffe wie Cabaser wirken zwar noch besser, belasten aber das Herz. Der «Arzneimittelbrief» rät, sie nicht zu verwenden.
Ärzte setzen gegen unruhige Beine auch Mittel gegen Epilepsie ein, etwa Lyrica oder Neurontin. Letztere kommen zum Zug, wenn Patienten Schmerzen haben oder andere Medikamente zu wenig wirken. Schmerzen gehen zurück und der psychische Zustand der Patienten verbessert sich.
Johannes Mathis vom Inselspital: «Wenn Patienten zusätzlich an Depressionen oder Ängsten leiden, ziehen Ärzte oft diese Therapie vor.» Doch sind erst wenige Daten vorhanden. Zwar zeigt eine Studie von Herstellerin Pfizer, dass ihr Lyrica etwas besser wirkt als Parkinson-Medikamente. Auch verstärkten sich die Symptome etwas weniger. Doch Lyrica kann auf die Dauer abhängig machen. Zudem sind die Nebenwirkungen leicht stärker. Der «Arzneimittelbrief» rät zur Skepsis.
Lösen Restless Legs Schmerzen aus, können auch Opioide wie Tramal oder Targin eine Alternative sein. Zugelassen sind sie dafür allerdings nicht. Und punkto Nutzen gibts nur wenige Studien.
Die gute Nachricht: Viele Patienten benötigen keine Medikamente, wenn sie ihren Lebensstil ändern. Denn auch ein Übermass von Genussmitteln wie Kaffee, Alkohol oder Schokolade kann zur Krankheit führen, ebenso Eisenmangel sowie Krankheiten der Schilddrüse, der Nieren oder Diabetes. Oft sind Restless Legs eine Nebenwirkung – etwa von Blutdrucksenkern oder Antidepressiva. Behandelt man den Auslöser, verschwindet oft auch das Kribbeln.
Ob Therapien wie Akupunktur, Schüsslersalze oder Massagen wirken, ist nicht gesichert. Es gibt keine Studie. Dennoch könne man sie durchaus empfehlen, schreibt der «Arzneimittelbrief». Für Mathis ist klar: «Medikamente sollte man erst dann einsetzen, wenn es anders nicht mehr geht.»
Madopar-Herstellerin Roche bestätigte dem Gesundheitstipp, bei einer längeren Therapie könnten sich die Symptome verschlimmern. Um dies zu verhindern, sollten Patienten die Dosis reduzieren oder andere Mittel nehmen.
UCB-Pharma schreibt, ihr Neupro-Pflaster wirke laut Cochrane besser als andere. Zudem lägen Daten über einen Zeitraum von rund fünf Jahren vor. Danach hätte fast jeder zweite Patient keine Beschwerden mehr. Glaxo-Smith-Kline sagt, Studien zeigten, dass 80 Prozent der Patienten «von Adartrel profitieren» würden.