Pflanzenmittel helfen Krebskranken – zu diesem Schluss kommen die Fachleute der deutschen Krebsgesellschaft. In der neuen Leitlinie zur Komplementärmedizin haben sie die Studienlage zu einem guten Dutzend Heilpflanzen geprüft. Neben der Mistel sind dies unter anderem Ingwer, Ginseng und Granatapfel. Claudia Witt, Professorin am Institut für komplementäre und integrative Medizin des Unispitals Zürich, bestätigt: «Es gibt Pflanzenmittel, für die belegt ist, dass sie Patientinnen und Patienten während der Krebstherapie helfen.» Sie würden zwar nicht auf die Krebszellen wirken, aber Beschwerden lindern.
So ist nachgewiesen, dass Mistelpräparate das Wohlbefinden der Patienten verbessern (siehe Tabelle im PDF). Diese vertragen die Therapie besser und haben weniger Beschwerden. Frauenärztin Teelke Beck aus Uster ZH empfiehlt Mistelpräparate auch ihren Patientinnen mit Brustkrebs: «Sie leiden so weniger unter Schlafstörungen, Schmerzen, Müdigkeit und Übelkeit.»
Zudem hätten sie mehr Energie. «Der Mistelextrakt setzt Endorphine frei», so Teelke Beck. Diese körpereigenen Hormone hellen die Stimmung auf. In Studien half der Mistelextrakt bei Krebs in Brust, Lunge, Darm, Magen und der Bauchspeicheldrüse. Nicht geeignet ist er bei Leukämie oder schwarzem Hautkrebs. Es gibt Hinweise, dass die Präparate bei diesen Tumoren den Verlauf verschlechtern.
Den Mistelextrakt gibt es nur in Form von Spritzen. Laut Teelke Beck ist es aber einfach, sich diese selbst zu setzen. Fraglich ist, ob die Mistel auch den Verlauf der Krankheit verbessert oder die Überlebenszeit verlängert. Studien konnten dies bisher nicht nachweisen.
Ginseng lindert schwere Müdigkeit
Die Autoren der Leitlinie empfehlen zudem Präparate mit dem Extrakt der Ginsengwurzel. Sie lindern die schwere Müdigkeit und Erschöpfung, unter der viele Pa-tienten wegen des Krebses und der Therapien leiden. In Studien wirkte Ginseng nur in grösseren Mengen von 2 bis 3 Gramm pro Tag. Chinesische Forscher verwendeten dafür roten Ginseng, jene der Mayoklinik in Rochester (USA) amerikanischen Ginseng. Beide wirkten.
Auch Ingwer hilft bei Krebs: Er bekämpft die Übelkeit, unter der Patienten während der Chemotherapie oft leiden. Die Autoren der Leitlinie empfehlen höchstens ein Gramm pro Tag, da grössere Mengen die Übelkeit verschlimmern können. Patienten sollen Ingwer als Tablette einnehmen und nicht als Tee. Das gelte vor allem, wenn die Chemotherapie die Mundschleimhaut angegriffen hat. Dann würde der scharfe Tee schmerzen.
Traubensilberkerze hilft Frauen mit Brustkrebs
Ein nützliches Pflanzenmittel ist auch die Traubensilberkerze. Es lindert Nebenwirkungen von Brustkrebsmedikamenten. Diese führen oft zu Hitzewallungen und anderen Wechseljahrbeschwerden, weil sie die Hormone unterdrücken. Einzelne kleine Studien zeigten, dass die Präparate bei Brustkrebs die Beschwerden lindern und sicher sind. Allerdings braucht es Geduld: Laut einer Übersichtsstudie der Universität Peking von 2019 wirken die Mittel erst nach rund drei Monaten. Auch Frauenärztin Teelke Beck empfiehlt den Extrakt der Traubensilberkerze. Allerdings würden nicht alle Brustkrebspatientinnen gleich gut darauf ansprechen.
Bei einer ganzen Reihe von Pflanzenmitteln ist hingegen unklar, ob sie Krebspatienten Vorteile bringen. Das gilt für Präparate mit Heilpilzen, Mariendistel, Weihrauch oder Granatapfel. Laut den Fachleuten der deutschen Krebsgesellschaft sind die Studien dazu wenig aussagekräftig. Beispiel Granatapfel: Hersteller von Kapseln und Säften mit dem Fruchtextrakt werben damit, dass diese bei Prostatakrebs helfen. So schreibt die Firma Herbano in ihrem Internetshop, der Extrakt habe «die Fähigkeit, das Fortschreiten von Prostatakrebs zu verlangsamen». Für die Fachleute der Leitlinie reichen die Daten aber nicht aus.
Von Cremes und Gels mit Aloe vera raten die Autoren ab. Studien zeigten, dass diese Hautschäden vom Bestrahlen nicht verhindern. In einer Studie mit 225 Brustkrebspatientinnen aus Australien verschlimmerten sich die Beschwerden sogar. Auch die südamerikanische Guarana-Pflanze hilft Krebspatienten nicht: Sie bessert die schwere Müdigkeit nicht, kann jedoch Nervosität und Kopfweh verursachen.
Die Ärztin Claudia Witt vom Zürcher Unispital rät Betroffenen, Pflanzenmittel nicht auf eigene Faust zu testen: «Die Präparate können die Krebstherapie stören.» Einige Krebsmittel wirkten dann weniger gut, andere seien stärker oder hätten mehr Nebenwirkungen. Deshalb sei es wichtig, dass man mit dem Krebsarzt spreche, bevor man Präparate einnimmt. Das gilt auch für Vitamine oder Mineralstoffe.