Mit Inshape könne man «ohne Stress abnehmen»: Das schreibt der bekannte TV-Arzt Samuel Stutz in der neuen Ausgabe seiner Zeitschrift «Sprechstunde Doktor Stutz». Inshape ist ein Pulver, das man mit Magermilch anrührt. Stutz empfiehlt, den Milchshake ein- bis zweimal pro Tag anstelle der üblichen Mahlzeiten zu trinken. Das Pulver enthält nur 200 Kalorien pro Portion. Dennoch mache es lange satt, schreibt der Hersteller im Internet. Denn es enthält den industriell produzierten Ballaststoff Dextrin. Inshape gibts mit Vanille-, Schoko-, Kaffee- und Beerenaroma.
Auch andere Hersteller wie Precon oder Almased verkaufen Pulver zum Abnehmen. Alle diese Produkte sind bekannt als «Formula-Diät». Das Prinzip ist bei allen ähnlich: Ein Milchshake ersetzt eine Hauptmahlzeit. Die Hersteller empfehlen in der Regel, ein- bis dreimal pro Tag einen Milchshake anzurühren. Zum Beispiel rät der Hersteller Protiline, man solle sich einige Tage bis Wochen ausschliesslich von Milchshakes ernähren. Diese Phase bezeichnet Protiline als «Diätstart». Nachher solle man den Drink ein- bis zweimal täglich zu sich nehmen, bis man das gewünschte Gewicht erreicht habe. So verliere man «auf gesunde und genussvolle Weise» Kilos, schreibt der Hersteller.
«Pulvernahrung ist extrem einseitig»
Die Pulvernahrung enthält nur wenige Kalorien. Sofern man nichts anderes isst, nimmt man damit pro Tag lediglich 600 bis 900 Kalorien auf. Gleichzeitig ist der Gehalt an Eiweiss hoch (siehe Tabelle im PDF). Es verhindert laut den Herstellern den Abbau von Muskeln. Das ist ein Nebeneffekt aller strengen Diäten.
Ernährungsfachleute bezweifeln den Nutzen der Pulver. Die deutsche Ernährungsexpertin Lioba Hofmann sagt, die «Formula-Diät» könne zwar zu Beginn einer Abnehmphase helfen, Gewicht zu verlieren. Man könne damit aber nicht dauerhaft schlank werden: «Die hohe Eiweisszufuhr wirkt zwar dem Jojo-Effekt entgegen. Dennoch stellt sich der Körper auf die niedrige Kalorienzufuhr ein.» So nehme man nachher noch schneller zu. Hofmann kritisiert, die Pulvernahrung sei trotz verschiedener Aromen «extrem einseitig». Deshalb sei es schwer, die Diät lange einzuhalten – «vor allem dann, wenn damit alle Mahlzeiten ersetzt werden».
Der Präventivmediziner David Fäh von der Berner Fachhochschule warnt, die «Formula-Diät» fördere Essstörungen und verhindere einen gesunden Essrhythmus. Wenn man längere Zeit weniger als 1200 Kalorien zu sich nimmt, könnten sich Zeichen einer Mangelernährung bemerkbar machen: «Eine zu starke Kalorienreduktion verursacht Stress im Körper und kann das Essverhalten nachhaltig stören», sagt Fäh.
Die Ernährungsexperten bezweifeln zudem, dass der hohe Eiweissgehalt der Milchshakes den Abbau der Muskeln aufhält. David Fäh: «Man müsste sich deutlich mehr bewegen, um das zusätzliche Eiweiss zu verwerten.» Allerdings steige dann das ohnehin grosse Kaloriendefizit noch mehr an. Zudem belaste viel Eiweiss die Nieren. Dies könne zum Beispiel bei älteren Leuten, deren Nieren nicht optimal funktionieren, schädlich sein. Viele Eiweisspulver enthalten auch zahlreiche chemische Zusatzstoffe wie Süssungsmittel, Farbstoffe, Aromen, Verdickungs- und Trennmittel. Solche Zusätze stehen im Ruf, der Gesundheit zu schaden.
Mehr Bewegung statt weniger Kalorien
Als gesunde Alternative zu Diätpulver empfehlen die Experten eine ausgewogene Ernährung. Lioba Hofmann rät, viel Obst, Gemüse und Salat zu essen, dazu Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Fisch, Milchprodukte und wenig Fleisch. Und David Fäh sagt: «Wer abnehmen will, sollte sich besser mehr bewegen, als die Kalorienzufuhr stark zu drosseln.» Denn mit Sport könne man die Muskelmasse aufbauen, was den Kalorienverbrauch steigert. Zudem verbessere Bewegung die Stimmung, und es bestehe dabei keine Gefahr, dass sich eine Essstörung entwickelt.
Hinzu kommt: Die Eiweiss-Pulver sind teuer. Eine Tagesration von Precon zum Beispiel kostet gegen 15 Franken. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt: Das Geld könne man sparen, wenn man zwischendurch tageweise faste oder Mahlzeiten weglasse. Das sei gut zum Abnehmen.
Inshape sei «gesundheitlich völlig unbedenklich», sagt Samuel Stutz zur Kritik der Fachleute. Es passe gut zum Intervallfasten. Stutz sagt, er habe die «Formula-Diät» nie als alleinige Massnahme zum Abnehmen angepriesen. Gleichzeitig müssten Anwender ihren Lebensstil dauerhaft ändern.
Die Firma Almased verweist auf Studien: Sie hätten gezeigt, dass die Pulvernahrung die Gesundheit positiv beeinflusse. Allerdings dauerten die meisten Studien nur wenige Wochen oder Monate und die Teilnehmerzahl war klein.
Die Firma Nu3, die Beavita herstellt, erklärt, die Gefahr eines Jojo-Effekts sei minimal und der Erfolg nachhaltig, wenn man gleichzeitig das Essverhalten ändere und mehr Sport treibe. Eine neue Übersichtsstudie zeige, dass man mit der «Formula-Diät» innert eines Jahres besser abnehmen könne als mit anderen Diäten. Die Forschungsarbeiten, auf die sich die Studie stützt, finanzierten allerdings teilweise die Hersteller.
Die Firma Biomed sagt, Inshape ersetze höchstens zwei Hauptmahlzeiten pro Tag. Das Produkt halte die gesetzlichen Vorgaben für die Zusammensetzung ein. Aromastoffe und Süssungsmittel seien nötig, damit das Pulver angenehm schmecke. Precon schreibt, ihr Produkt enthalte keine bedenklichen Zusatzstoffe. Es sei «nicht erkennbar», dass vermehrt Essstörungen auftreten würden. Die Precon-Diät sei abwechslungsreich: Sie umfasse auch Riegel und Suppen sowie eine selbst gekochte Mahlzeit pro Tag. Die Nieren würden «keinesfalls zusätzlich belastet», sondern eher entlastet, denn viele Leute würden zu viel Eiweiss essen.