Lässig steht der Fitnesstrainer im blauen Polohemd am Strand. In einem kurzen Video stellt er sich vor: «Hey, ich bin der Martin. Wenn du willst, können wir gemeinsam einen Trainingsplan erstellen. Let’s do it!»
Martin ist einer von sechs Trainern des Internet-Fitnessstudios Newmoove. Die Website enthält laut Angaben des Betreibers über 400 Trainingsvideos. Darunter gibts Videos für den Muskelaufbau, Fitness für Senioren, Yoga und Pilates. Die Trainer machen die Übungen zu Technomusik vor: «Schmeiss die Beine in die Höhe, streck deine Hand zu deinem Fuss, links, rechts ...» So geht das Training 40 Minuten lang weiter.
Neben Newmoove werben noch andere Online-Fitnessstudios um Kunden. Alle funktionieren auf ähnliche Weise: Nach der Anmeldung stellen die Fitnessstudios einen Trainingsplan zusammen.
Der Gesundheitstipp liess sechs Online-Fitnessstudios von drei Sport-Experten vergleichen: vom Fitnessberater Fritz Bebie aus Erlenbach ZH, vom Zürcher Sportmediziner Ralf Peter Schnorr und vom Berner Fitnessberater Niklaus Jud. Die Fachleute waren von den Studios nicht begeistert: Keines erhielt eine gute Note.
Am besten schnitt Newmoove ab: Die Experten bewerteten das Portal mit der Note 4,5. Ihnen gefällt das breite Angebot an unterschiedlichen Kursen: «Von Trainings für die Figur, Kondition und Gesundheit ist alles dabei», so Niklaus Jud. Sportmediziner Ralf Peter Schnorr lobt, die Trainer würden immer wieder gute Hinweise und Erklärungen geben. Das Studio achtet auch auf die Sicherheit: Zum Schutz der Kunden vor gesundheitlichen Schäden müssen diese bei der Anmeldung eine Reihe von Fragen zum Gesundheitszustand beantworten – zum Beispiel, ob sie Kreislaufprobleme haben. Kunden, die diese Frage bejahen, empfiehlt Newmoove, einen Arzt aufzusuchen.
Allerdings bemängeln die Experten, dass das Studio nicht kontrolliere, ob die Kunden das Training korrekt durchführen. Fritz Bebie sagt: «Diese Möglichkeit gibt es bei den Online-Angeboten grundsätzlich nicht. Ein richtiges Fitnesscenter hat den Vorteil, dass das Personal die Kunden korrigiert, wenn sie das Training falsch durchführen.»
Medizinische Warnhinweise fehlen
Die Portale Fitnessraum und Mytraining bekamen die Noten 4 und 3,9. Die fast gleiche Bewertung ist kein Zufall: Beide Portale werden von der gleichen Firma betrieben. Die Trainer und die gezeigten Videos sind identisch, auch der Abo-Preis ist gleich hoch – obwohl Mytraining nur halb so viele Trainingsvideos enthält.
Die Experten loben das «breite und zeitgemässe Angebot», das auch trendige Kurse enthält, zum Beispiel das Training mit Kettlebells; das sind Geräte, die man ähnlich wie Hanteln verwendet. Beim Ausdauertraining und bei der Muskeldefinition sei das Programm aber eher dürftig, kritisieren die Experten. Punkteabzug gab es auch, weil medizinische Warnhinweise bei beiden Studios fehlen und weil die Kunden keine Informationen zu ihrem Fitness- und Gesundheitszustand eingeben müssen. «Damit schützen die Studios die Kunden zu wenig gut vor Schäden», sagt Fritz Bebie. Er empfiehlt allen Anfängern, die jahrelang nicht trainiert haben, sowie Personen über 40 Jahren sich beim Hausarzt abklären zu lassen.
Ebenfalls die Note 4 bekam das Portal Pur-Life. Die Experten bemängeln, die Trainer würden die Übungen zu wenig gut erklären. Die Optik der Videos überzeugte nicht: Die Trainer stehen auf einer schwarzen Matte vor einer grauen Wand. Pur-Life ist mit 26 bis 32 Franken pro Monat am teuersten. Andere Angebote seien günstiger, aber qualitativ ebenbürtig, sagt Niklaus Jud.
Am wenigsten konnten die Fachleute mit Bodyboom und Gymondo anfangen: Beide bekamen die Note 3,4. Bodyboom sei zwar günstiger, berücksichtige aber die unterschiedlichen Bedürfnisse von Anfängern und Fortgeschrittenen zu wenig, kritisiert Niklaus Jud. «Es genügt nicht, nur die Dauer der Trainingseinheiten zu ändern. Die Übungen sollten auch dem Niveau angepasst werden.» Bei Gymondo belastet eine Bauchmuskel-Übung auch den Rücken stark. Das könne schlimmstenfalls zu Schäden führen.
Die Gymondo-Videos sind nach Meinung der Experten wenig attraktiv gestaltet: In einem Trainingsvideo sind Schweissflecken auf dem Leibchen des Trainers sichtbar, in einem anderen bewegt er sich nicht im Takt der Begleitmusik.
Die Online-Trainings kann man nur mit einem Abonnement nutzen. Die Kunden bezahlen im Voraus den Mitgliederbeitrag für einen oder mehrere Monate oder für ein ganzes Jahr mit der Kreditkarte. Bei solchen Geschäften ist das Kleingedruckte wichtig. Deshalb liess der Gesundheitstipp die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von der Gesundheitstipp-Rechtsberatung prüfen. Dabei zeigten sich grosse Mängel: Bei fast allen Portalen wird das Abonnement automatisch verlängert, falls die Kunden nicht rechtzeitig kündigen. Das sei wenig kundenfreundlich, kritisieren die Juristen. Tipp: Nach dem Abschluss eines Abos gleich vorsorglich wieder kündigen. Pur-Life verlangt als einziges Portal bei den Ein- und Drei-Monats-Abos keine Kündigung. Ein weiterer Nachteil: Bei Bodyboom gibt es kein Widerrufsrecht nach dem Abo-Kauf.
Eine Alternative für motivierte Sportler
Das Fazit: Die Online-Fitnessstudios seien eine gute Alternative zum Fitnesscenter, sagt der Sportmediziner Ralf Peter Schnorr – aber nur für Sportler, die sich gut selbst motivieren können. «Wer Unterstützung beim Kampf gegen den inneren Schweinehund braucht, sollte besser ins Fitnesscenter gehen.» Dort könne man von der Unterstützung durch andere Trainierende und das Personal profitieren. Zu Hause sei die Gefahr, dass man bald die Lust am Trainieren verliert, zu gross. Niklaus Jud fügt an, der Muskelaufbau sei beim Online-Training nur bis zu einem gewissen Grad möglich: «Wer die Muskeln stark vergrössern möchte, muss intensiver und mit mehr Widerstand trainieren.»
Zur Kritik der Experten schreibt Newmoove, bei anderen Sportarten wie Joggen kontrolliere auch niemand, ob man korrekt trainiere. Die Trainer zeigten aber die korrekte Ausführung der Übungen sorgfältig. Mytraining sagt, das Angebot enthalte «deutlich mehr» als die auf dem Portal angegebene Zahl von 300 Videos. Hinweise zum korrekten Training gebe es an mehreren Stellen. Fitnessraum räumt ein, das Online-Training sei nicht zum schnellen Muskelaufbau geeignet. Das Publikum bestehe aber vor allem aus Frauen, die nicht an grossen Muskeln interessiert seien.
Pur-Life schreibt, die Seite sei bewusst «ohne Schnickschnack» gestaltet, man verzichte deshalb auf tolle Hintergründe und Mittänzer. Zur Kritik am hohen Preis schreibt Pur-Life, es gebe auch eine Gratis-Mitgliedschaft mit begrenztem Zugang zum Angebot.
Bodyboom sagt, man könne unterschiedliche Schwierigkeitsgrade wählen. Damit könnten die Kunden das Training an den verbesserten Fitnessgrad anpassen. Bisher habe sich kein Kunde über die AGB beschwert. Dennoch verspricht Bodyboom, diese zu verbessern.
Gymondo schreibt, auffällig platzierte medizinische Warnhinweise seien nicht sinnvoll, denn sie erweckten den falschen Eindruck, dass die Fitnessübungen gefährlich seien. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht seien viel sicherer als das Training mit Geräten. Gymondo bestreitet, dass ihre Bauchmuskel-Übungen den Rücken belasten. Die Firma will aber künftig bei der Anmeldung einen Fitness-Test aufschalten.