Katja Reichen besucht seit kurzem einen Kurs in Wen-Do, um sich besser verteidigen zu können. «Seither kann ich micht viel mehr auf mein Bauchgefühl verlassen», sagt die 50-Jährige aus Basel. Sie habe gelernt, zu spüren, wenn sie etwas nicht wolle, und sich in solchen Fällen zu wehren – mit Worten oder notfalls auch körperlich.
«Ob mir zum Beispiel eine Geste oder ein Spruch unangenehm ist, hängt stark von der Situation ab», so Reichen. «Jetzt kann ich das besser für mich einordnen», sagt sie. «Im Wen-Do tauschen wir uns über solche Dinge aus.»
Mit ihrer Erfahrung ist sie nicht allein. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts GfS in Bern ist jede zweite Frau bereits verbal belästigt worden. Und jede fünfte hat einen sexuellen Übergriff erlebt.
Einfache Techniken für den Alltag
In Kursen für Selbstverteidigung können Frauen lernen, sich zu wehren. Das Angebot ist gross. Der Gesundheitstipp hat die wichtigsten acht Richtungen miteinander verglichen. Für Aurelia Golowin, Trainerin bei der IG Pallas, einer Schweizer Organisation für Selbstverteidigung, ist neben dem Stärken des Selbstvertrauens vor allem eines wichtig: einfache Techniken vermitteln, die jede Frau im Alltag zur Verteidigung anwenden kann.
Selbstverteidigungskurse wie Wen-Do und Pallas richten sich gezielt an Frauen.
Teilnehmerinnen lernen dabei effiziente Techniken, um sich körperlich zu wehren, aber auch, um sich mit Worten durchzusetzen. Wen-Do entstand in der kanadischen Frauenbewegung der 1970er-Jahre, Pallas ist vom Bundesamt für Sport in den 1990er-Jahren entwickelt worden. Beide Strömungen legen den Fokus stark auf eine psychologische Auseinandersetzung mit Gewalt und verbalen Grenzüberschreitungen.
Die eigene Stärke kennenlernen
Aurelia Golowin umschreibt das so: «Wir bereiten unsere Schülerinnen vor, damit sie im Ernstfall möglichst nicht in Panik geraten und handlungsfähig bleiben.» Zudem führen beide Kurse Rituale wie das Zerschlagen eines Holzbrettes durch – entweder mit einem Fusstritt oder der sogenannten Hammerfaust. So lernen die Teilnehmerinnen ihre eigene Stärke kennen und fassen Selbstvertrauen. Die Fitness steht dabei nicht im Vordergrund. In Bezug auf Beweglichkeit, Kraft oder Kondition haben Pallas und Wen-Do wenig zu bieten.
Auch Krav Maga ist eine reine Selbstverteidigungsdisziplin. Krav Maga kombiniert gemäss Golowin die effektivsten Verteidigungstechniken aus unterschiedlichen Kampfsportarten. Man lernt, sich zu befreien, zu schlagen und zu treten. Anders als Wen-Do und Pallas eignet sich dieses Training gut, um die Fitness zu steigern, denn es ist sehr körperbetont und anstrengend. Der Fokus liegt hier weniger auf der psychischen als auf der körperlichen Stärke.
Auch Jiu-Jitsu ist ein reiner Verteidigungssport und enthält verschiedene Techniken. Man müsse es jahrelang ausüben, um sich in einem Angriff effizient verteidigen zu können, sagt Golowin. Das Training ist körperlich sehr anstrengend.
Die innere Haltung ist eine wichtige Grundlage
Die Kampfsportart Karate eignet sich in erster Linie, um die Kondition, die Koordination und die Reflexe zu verbessern. Dies sagt der ehemalige Präsident der Swiss Karate Federation Roland Zolliker. Man lernt Tritte und Schläge. «Um sich effizient verteidigen zu können, muss man es aber über Jahre hinweg regelmässig trainieren», sagt er. Nichtsdestotrotz stärkt es die Fitness und das Selbstvertrauen.
Im Kung-Fu lernt man wie im Karate verschiedene Tritt- und Schlagtechniken. Dazu kommt das Kämpfen mit Waffen wie Stöcken und Schwertern. Auch hier dauert es lange, bis man es erlernt. Man hat wenig Körperkontakt.
Im Taekwondo lernt man, sich effizient mit den Füssen und den Händen zu wehren. Mit der richtigen Technik lässt sich ein Gegner schlagen, der körperlich überlegen ist. «In der Selbstverteidigung muss man zuerst die innere Haltung erarbeiten: Ich will und kann mich wehren», sagt Thomas Kläy von Swiss Taekwondo.
Bei Judo, Jiu-Jitsu und Krav Maga hat man viel Körperkontakt, es kommen auch Würfe zum Einsatz. Die Trainings sind eher anstrengend und deshalb für Senioren nur bedingt geeignet.
Aufruf: Kamen Sie in eine brenzlige Situation? Wie ging sie aus?
Schreiben Sie uns: Redaktion Gesundheitstipp, «Selbstverteidigung», Postfach, 8024 Zürich, redaktion@gesundheitstipp.ch