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Ein Embryo bewegt sich in der Gebärmutter, man hört sein Herz schlagen. So beginnt der Dokumentarfilm «Alphabet» des österreichischen Regisseurs Erwin Wagenhofer. Bald muss das Ungeborene raus aus dem Bauch – und in die Schule. Das sind offenbar furchtbare Aussichten. Denn wenn die Schule mit dem Kind fertig ist, wird nicht mehr viel von seinem kindlichen Wesen übrig sein. Seine Seele verkümmert und mit ihr seine Unbeschwertheit. So sagt der deutsche Hirnforscher Gerald Hüther in die Kamera: «Kinder sind von Geburt aus wissbegierig und kreativ. Doch die Schule richtet sie auf einseitiges Denken ab – die individuellen Begabungen gehen ein.» Und der britische Erziehungswissenschafter Sir Ken Robinson ertönt aus dem Off: «Geniale Geister wie ein Mozart können sich so nicht entfalten.»
Das sind nicht die einzigen Männer, die in «Alphabet» zu Wort kommen. Der Film besteht zum grossen Teil aus deutschen, chinesischen, französischen und britischen Experten, die vor der Kamera über Bildung schwadronieren. Das Resultat ist eine so radikale wie abgehobene Kritik am Bildungssystem im Kapitalismus. Schuld an der Schulmisere soll eine Gesellschaft sein, die auf Leistung und Konkurrenz getrimmt ist.
Doch Wagenhofer verpasst es, Beweise zu liefern. Was in den Klassenzimmern tatsächlich vorgeht, filmt er nicht, Kinder kommen kaum zu Wort. Die Schweiz wird gar nie erwähnt. Und die Beispiele, die der Regisseur als positive Alternativen anführt, haben kaum Vorbildcharakter. Da ist etwa ein französischer Gitarrenbauer, der nie zur Schule ging, sondern bei seinen Eltern spielte – und selbständig Fremdsprachen lernte. Oder ein spanischer Psychologe, der trotz Down-Syndrom sein Studium abschloss. Wie sich diese Schicksale auf die Realität aller Kinder übertragen lassen, bleibt offen.
Bedingt empfehlenswert
Erwin Wagenhofer: «Alphabet»
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