Ein Mann, etwa Ende sechzig, hager, mit Brille. Der ehemalige Poststellenleiter hat Tränen in den Augen. Er habe einen langen Weg hinter sich, sagt er. «Aber eines kann ich nicht: dir verzeihen.» Die Worte sind an das Gegenüber gerichtet: einen Mann im ähnlichen Alter, mit Bart, ein ehemaliger Krimineller. Ihre Wege kreuzten sich zum ersten Mal vor 22 Jahren. Der Täter stürmte mit seinem Kollegen die Postfiliale, sie hielten die Pistole an den Kopf der Frau und der Tochter des Pöstlers. So erzwangen sie das Geld aus dem Tresor. Der Täter hat seine Strafe abgesessen, doch das Opfer ist schwer traumatisiert.
Zwei Sitzungen haben die beiden seit kurzem hinter sich: Sie trafen sich mit einem Therapeuten. Ziel dieser Mediation: Opfer sollen das Motiv der Täter erkennen – und diese im Gegenzug, was sie den Opfern angetan haben. Ein neuer Weg in der Justiz.
Der Film lebt von den eindrücklichen Beispielen: der sexuell missbrauchten Frau oder dem Passanten, dem ein Schläger den Kiefer gebrochen hatte. Es kommen Täter und Opfer zu Wort, von Versöhnung ist die Rede. Einschätzungen von Fachleuten fehlen allerdings.
Deshalb bleiben wichtige Fragen offen: Gibt es einen Beleg, dass solche Mediationen dem Opfer helfen? Oder dass sie die Rückfallgefahr der Täter mindern? Eine junge Frau erzählt, wie wichtig es für sie war, dem Täter gegenüberzusitzen: «Ich konnte ihm so verzeihen.» Der Täter sah es offenbar anders: Er brach den Kontakt zum Opfer ab.
Sehr empfehlenswert
«Mediation - Chance für Opfer und Täter», Mittwoch, 22. Juli, 22.50 Uhr, Arte. Auch in der Arte-Mediathek verfügbar