Seit Jahrhunderten ist das Fermentieren eine Methode, um Lebensmittel länger haltbar zu machen. Bakterien und Pilze wandeln dabei Zucker und Stärke in Säure, Alkohol oder Gas um. Mit den heutigen Kühlmöglichkeiten ist dies nicht mehr nötig. Inzwischen haben aber Spitzenköche den Prozess wiederentdeckt, um den Geschmack und die Beschaffenheit ihrer Speisen zu verändern.
Das wohl bekannteste fermentierte Lebensmittel ist Sauerkraut. Auch Joghurt, Käse, Bier, Schokolade und Kaffee gehören dazu.
Der Kulinarikfachmann Patrick Zbinden aus Rüschlikon ZH sagt: «Es ist beeindruckend, welche Aromen durch das kontrollierte Vergären entstehen.» Das Endprodukt schmecke oft besonders würzig, knackig und frisch. Doch nicht nur bei den Profis, sondern auch bei Hobbyköchen lebt die alte Tradition wieder auf. Im Handel gibt es Dutzende von Kochbüchern und wer im Internet recherchiert, findet Hunderte von Rezepten.
«Der Prozess braucht Zeit und Hingabe»
Doch der Prozess des Fermentierens ist längst nicht so einfach, wie oft behauptet wird. Viele Rezepte sind unbrauchbar. Zbinden: «Fermentieren ist eine hohe Kunst und beansprucht viel Zeit und Hingabe.» Es könne Tage oder gar Wochen dauern. «Umso grösser ist der Frust, wenn es am Ende nicht klappt.»
Wer falsch fermentiert, kann erst noch seine Gesundheit gefährden. Corinne Gantenbein-Demarchi vom Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sagt, der Prozess des Fermentierens sei «sehr komplex». Grob zusammengefasst gehe es um den Kampf «gute Bakterien gegen schlechte».
Setzen sich die schlechten Bakterien durch, kann das Produkt verderben: Es fängt an, schlecht zu riechen, zu schmecken – oder ändert seine Farbe. Für Gantenbein-Demarchi ist das noch die harmlose Variante. «Immerhin merkt man, dass mit dem Lebensmittel etwas nicht stimmt und kann es entsorgen.» Schlimmer sei es, wenn sich Krankheitserreger durchsetzten. «Wir schmecken und riechen viele gefährliche Keime nicht. Die Gefahr ist gross, dass man sie isst.» Das könne zu Erbrechen, Durchfall und im schlimmsten Fall zum Tod führen.
In Kochbüchern und im Internet findet man dazu kaum Hinweise. Im Gegenteil: Viele Autoren heben die gesundheitlichen Vorzüge von fermentierten Lebensmitteln hervor. Corinne Gantenbein-Demarchi: «Viele der versprochenen Vorzüge sind nicht wirklich bewiesen oder nur sehr schwer zu beweisen.» Klar sei aber, dass fermentierte Lebensmittel die Verdauung verbessern könnten. Unter anderem dadurch, dass sie die Anzahl gesunder Bakterien im Darm erhöhen.
Allerdings ist das nicht immer ein Vorteil. Andreas Widmer, Arzt am Universitätsspital Basel, warnt: «Wer ein schlechtes Immunsystem hat, dem kann die hohe Menge an guten Bakterien aus fermentierten Produkten schaden.» Für Leute mit einem empfindlichen Magen könne zudem die Säure ein Problem sein. Auch bei einer Histaminunverträglichkeit muss man vorsichtig sein. Durch den Gärprozess steigt der Histamingehalt in den Lebensmitteln stark an. Zudem ist der meist hohe Salzgehalt von fermentierten Lebensmitteln schlecht für Menschen mit hohem Blutdruck. Für Kleinkinder können fermentierte Früchte gefährlich sein. Widmer: «Der Alkohol, der dabei entsteht, kann sie betrunken machen.»
Für Experten macht es darum wenig Sinn, alleine der Gesundheit zuliebe Lebensmittel zu fermentieren. Lebensmittelforscherin Gantenbein-Demarchi: «Wer Gemüse aus dem eigenen Garten konservieren möchte, sollte es eher blanchieren und einfrieren.» Dies bewahre Inhaltsstoffe wie Vitamine besser und das Verfahren sei für Laien sicherer.
Hände weg von Fleischprodukten!
Wer wegen der geschmacklichen Vorzüge fermentieren will, sollte mit Gemüse oder Früchten anfangen. Gantenbein-Demarchi rät dringend ab, Fleischprodukte zu fermentieren. «Hände weg! Es ist viel zu riskant und bei unsachgemässem Vorgehen können gefährliche Keime überleben oder sich gar vermehren.» Auch beim Fermentieren von Früchten oder Gemüse solle man sich genau informieren und an Rezepte von seriösen Anbietern halten.
Im Verkauf sind auch sogenannte Starterkulturen. Dabei impft man die Lebensmittel mit zugesetzten Bakterien oder Hefekolonien. Doch das ist meist gar nicht nötig. Denn in der Regel befinden sich solche Bakterien und Pilze bereits auf dem Lebensmittel. Eine solche Spontangärung ist zum Beispiel die Milchsäuregärung.
Wie aus Weisskohl Sauerkraut wird
Kulinarikexperte Zbinden empfiehlt Einsteigern die Milchsäurefermentation von Gemüse. «Hier kann am wenigsten schiefgehen.» Der Vorteil: Milchsäurebakterien kommen auf allen Pflanzen natürlich vor und müssen nicht extra zugesetzt werden. Die Fermentation beginnt, wenn man rohes Gemüse in Salzlake taucht. Die Bakterien wandeln den Zucker und die Stärke im Gemüse in Milchsäure um.
Damit sich kein Schimmel bildet, muss das Gemüse während der ganzen Fermentationszeit mit der Salzlake bedeckt sein. Wer auf Nummer sicher gehen will, besorgt sich einen speziellen Gärtopf. Der fehlende Sauerstoff und das Salz unterdrücken das Wachstum von schlechten Bakterien. «Zudem entzieht das Salz dem Gemüse Wasser und macht es knackig», erklärt Zbinden. Die Salzmenge hängt vom Gewicht des Gärguts ab.
Der Gesundheitstipp hat die einzelnen Schritte am Beispiel des Sauerkrauts in einem Merkblatt (siehe Hinweis) zusammengefasst. Die Milchsäurefermentation eignet sich für alle Gemüse, die man auch roh essen kann.
Tipps: Fermentieren - Darauf sollten Sie achten
- Waschen Sie Obst und Gemüse gründlich.
- Sparen Sie nicht mit dem Salz.
- Kochen Sie Einmachgläser vor Gebrauch ab.
- Verwenden Sie nur saubere Küchenutensilien.
- Machen Sie keine Versuche mit Fleischprodukten.